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epd medien Herausgeber und Verlag: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) gGmbH, Emil-von-Behring-Str. 3, 60439 Frankfurt am Main. Geschäftsführer: Jörg Bollmann Amtsgericht Frankfurt am Main HRB 49081 USt-ID-Nr. DE 114 235 916 Verlagsleiter: Bert Wegener. Chefredakteur der epd-Zentralredaktion: Dr. Thomas Schiller. epd medien: Diemut Roether (verantw.), Michael Ridder, Henning Engelage. Erscheinungsweise: einmal wöchentlich epd medien (Druckausgabe als PDF). Plus fünf Mal wöchentlich epd medien aktuell (elektronisch als PDF-Datei). Bezugspreis Online-Abonnement monatl.: 61,80 . Verlag/Bestellservice (Adresse siehe oben unter GEP): Tel: 069/58098-191, Fax: 069/58098-226, E-Mail: [email protected] Redaktion epd medien (Adresse siehe oben unter GEP): Tel: 069/58098-135, Fax: 069/58098-261, E-Mail: [email protected] © GEP, Frankfurt am Main Alle Rechte vorbehalten. Die mit dem Abo-Vertrag erworbene Nutzungsgenehmigung für epd medien online gilt nur für einen PC-Arbeitsplatz. epd medien darf nur mit Zustimmung des Verlags weiterverwertet, gedruckt, gesendet oder elektronisch kopiert und weiterverbrei- tet werden. Anfragen richten Sie bitte an die epd-Verkaufsleitung (Adresse siehe oben unter GEP), Tel: 069/58098-259, Fax: 069/58098-300, E-Mail: [email protected] Haftungsausschluss: Jede Haftung für technische Mängel oder Mängelfolgeschäden ist ausgeschlossen. hier geht’s weiter >>>

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epd medien

Herausgeber und Verlag: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) gGmbH, Emil-von-Behring-Str. 3, 60439 Frankfurt am Main. Geschäftsführer: Jörg Bollmann Amtsgericht Frankfurt am Main HRB 49081 USt-ID-Nr. DE 114 235 916 Verlagsleiter: Bert Wegener. Chefredakteur der epd-Zentralredaktion: Dr. Thomas Schiller. epd medien: Diemut Roether (verantw.), Michael Ridder, Henning Engelage. Erscheinungsweise: einmal wöchentlich epd medien (Druckausgabe als PDF). Plus fünf Mal wöchentlich epd medien aktuell (elektronisch als PDF-Datei).Bezugspreis Online-Abonnement monatl.: 61,80 €. Verlag/Bestellservice (Adresse siehe oben unter GEP): Tel: 069/58098-191, Fax: 069/58098-226, E-Mail: [email protected] Redaktion epd medien (Adresse siehe oben unter GEP): Tel: 069/58098-135, Fax: 069/58098-261, E-Mail: [email protected] © GEP, Frankfurt am Main Alle Rechte vorbehalten. Die mit dem Abo-Vertrag erworbene Nutzungsgenehmigung für epd medien online gilt nur für einen PC-Arbeitsplatz. epd medien darf nur mit Zustimmung des Verlags weiterverwertet, gedruckt, gesendet oder elektronisch kopiert und weiterverbrei-tet werden. Anfragen richten Sie bitte an die epd-Verkaufsleitung (Adresse siehe oben unter GEP), Tel: 069/58098-259, Fax: 069/58098-300, E-Mail: [email protected] Haftungsausschluss: Jede Haftung für technische Mängel oder Mängelfolgeschäden ist ausgeschlossen.

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EvangelischerPressedienst

Frankfurt am Main n www.epd.de

INHALT SendereinmaleinsDie Debatte über die Digitalkanäle von ARD und ZDF / Von Diemut Roether 3

Selbstbewusste GremlinsDie Rundfunkräte müssen transparenter werden / Von Fritz Wolf 5

Professionalisiert die Rundfunkräte!Die (Ohn-)Macht der ehrenamtlichen Gremien / Von Jutta Brückner 8

InlandGericht: Meldedatenabgleich für Rundfunkbeitrag ist zulässig 12Presseplätze für NSU-Prozess werden durch Los vergeben 12DuMont Redaktionsgemeinschaft liefert weiter Texte an die FR 13Transfergesellschaft für Mitarbeiter der Westfälischen Rundschau 14Studie: Rundfunkräte wichtig für Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF 14Tageszeitungen verlieren vier Prozent an Auflage 15Vergütungsregeln für freie Zeitungsfotografen vereinbart 16Bremer Tageszeitungen wollen ein Drittel des Personals abbauen 17Weitere Inlandsmeldungen ab Seite 17

InternationalesEuropäisches Gericht bestätigt Verbot politischer Werbung 25Slowakei: Besitzerwechsel bei Presseunternehmen Ecopress 25Polen: Burda übernimmt Geschäft von Gruner + Jahr 26Freihandelsabkommen alarmiert Rundfunkräte und Produzenten 26

Kritik„Familie Sonntag auf Abwegen“ von Ulli Baumann und Kirsten Peters (ZDF) 28„Mörderische Jagd“ von Markus Imboden und Holger Karsten Schmidt (ZDF) 29„Im Schleudergang“ von Paul Harather und Peter Bradatsch (BR) 30„Thadeusz und die Beobachter“ mit Jörg Thadeusz (RBB) 31„Der Zschäpe-Prozess“ von Beres/Klees/Senyurt/Weller (ARD/MDR/SWR/BR) 32„die story: Der lange Arm des Imam“ von Yüksel Ugurlu und Cornelia Uebel (WDR) 33„Tod für die Welt - Waffen aus Deutschland“ von Sommer/Kilimann (ARD/RBB) 34„Traumrollen“ von Jean-Claude Kuner (Deutschlandfunk/HR) 35

26. April 2013 17

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IMPRESSUM

Herausgeber und Verlag:Gemeinschaftswerk der Evang.Publizistik (GEP) gGmbH inFrankfurt am Main. HRB 49081USt-ID-Nr.DE 114235 916Geschäftsführer: Jörg BollmannVerlagsleiter: Bert Wegener

Chefredakteur der epd-Zentralredaktion:Dr. Thomas Schillerepd medien und epd medien aktuell:Diemut Roether (Verantw. Redakteurin),Michael Ridder, Henning EngelageE-Mail: [email protected]@epd.de

Erscheinungsweise: einmalwöchentlich. (Druckausgabe)Monatsabonnement: Druckausgabeplus fünf Mal wöchentlich epdmedien aktuell (elektronisch):70 Euro inkl. MWSt, im Ausland exkl.MWSt zuzüglich Versand.

Nachdruck nur mit Vertrag.Druck: druckhaus köthenEmil-von-Behring-Straße 3Briefe: Postfach 50 05 5060394 Frankfurt am MainTelefon (069) 5 80 98-209Telefax (069) 5 80 98-261

Raus aus der Nische. Behinderung als trendige TV-Unterhaltung

epd Ist es okay, im Fernsehen über das Thema Behin-derung zu lachen? Kann man damit eine Freitagabend-Sendung füllen? Und zwar so, dass sowohl Kritiker alsauch Zuschauer - behinderte wie nicht behinderte -begeistert sind? Ja, das geht und zwar ganz hervorra-gend, wie der britische Fernsehsender Channel 4 seitden Paralympics 2012 beweist. Ganz ohne „AktionMensch“-Pathos oder erhobenen Zeigefinger schafftes ein hauptsächlich kommerziell finanzierter Sender,das Thema Behinderung ganz neu zu platzieren.

„The Last Leg“ heißt die Sendung, in der eine halbeStunde lang das Wochengeschehen von drei Modera-toren kommentiert wird. Außerdem werden Zuschau-erfragen beantwortet, die alle mit „Ist es okay...?“anfangen. Der Titel „The Last Leg“ spielt nicht zuletztauf die Beinprothese des Hauptmoderators Adam Hillsan. Der australische Moderator und Comedian schafftes zusammen mit seinen beiden Sidekicks, ComedianJosh Widdicombe und Sportjournalist Alex Brooker,das Thema Behinderung primetimefähig zu präsentie-ren.

Nicht nur Adam Hills hat eine Behinderung, auchAlex Brooker hat eine Beinprothese und „ein paarArmprobleme“, wie er selbst sagt. Während der Pa-ralympischen Spiele erreichte „The Last Leg“ ein Mil-lionenpublikum, so dass sich der Sender entschloss,die Sendung auch nach den Spielen weiterzuführen.Zuerst folgte im Dezember ein Jahresrückblick. Anfangdes Jahres folgte dann die zweite Staffel, die im Märzzu Ende gegangen ist. Im Sommer soll es eine dritteStaffel geben.

„Ist es okay, jemandem, der die Arme nicht bewegenkann, die Hand zu geben?“, will ein Zuschauer bei-spielsweise während der Paralympics wissen. „Na ja,es wäre schlimmer, ihm über den Kopf zu streicheln“,antwortet Alex Brooker. Und Adam Hills weist daraufhin, dass zu viel körperliche Nähe nicht immer gutist. „Küssen Sie keinen Stumpf, wenn Sie die Personnicht kennen“, mahnt er - und hat damit die Lacherauf seiner Seite.

„The Last Leg“ ist keine Telekollegsendung über Roll-stühle und Prothesen. Es ist eine Talkshow, in der manganz nebenbei lernt, dass Behinderung nicht grund-

sätzlich ein Drama, sondern oftmals ein guter Grundzum Lachen ist. Selbst wer am Freitagabend nichtvor dem Fernseher sitzt, kommt in Großbritannienzumindest beim Kurznachrichtendienst Twitter ander Sendung kaum vorbei. Unter dem Hashtag #isitokschicken Zuschauer Fragen, die sie sich bislang nichtzu fragen trauten. Regelmäßig ist #isitok eines dermeistgenutzten Twitter-Stichworte in Großbritannien,es ist dann also „trending“, wie es im Twitterjargonheißt.

Dahinter steckt durchaus ein Konzept. Der SenderChannel 4 versucht dem Thema, seit man sich dieÜbertragungsrechte für die Paralympics gesicherthatte, einen coolen Anstrich zu geben: Die behinder-ten Sportler werden zu „Superhumans“, und Reporterprangern Barrieren im Alltag behinderter Menschenin der Senderkampagne „NoGoBritain“ an. „Wir habenuns gefragt, ob es okay ist, das Thema Behinderunganders anzugehen - um von der Idee wegzukommen,dass Behindertenthemen eine Nische sind“, sagt JayHunt, die Kreativchefin des Senders. Channel 4 seiweiter gegangen als jeder andere Sender zuvor, indemman behinderte Moderatoren ins Kernprogramm desSenders genommen habe. Dabei sei das alles keineAlibiaktion. Es seien großartige Moderatoren, die ebenzufällig behindert sind.

Mehr als 700.000 Euro hatte der Sender im Vorfeldder Paralympics investiert, um zehn Reporter undModeratoren mit Behinderungen zu casten und zuschulen. In den kommenden zwei Jahren sollen wei-tere 300.000 Euro bereitgestellt werden. Channel 4hat sich gerade die Rechte an den Paralympics 2016in Rio gesichert.

Ob es denn eine „Last Leg“-Sendung auch in Brasi-lien geben werde, wurde ein Vertreter des brasiliani-schen paralympischen Komitees vor kurzem gefragt.„Das würde in Brasilien nicht funktionieren“, sagteer. Wenn er sich da mal nicht irrt. Ungestellte Fragenund den Bedarf, mit dem Thema Behinderung lockerer

umzugehen, gibt es sicher auch dort.Allerdings braucht es dafür mutigeFernsehkreative und Moderatoren, dieüber sich und ihre Behinderung lachenkönnen. Christiane Link

n TAGEBUCH n2 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

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Sendereinmaleins

Die Debatte über die Digitalkanäle von ARD und ZDF / Von Diemut Roether

n DEBATTE n 326.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

epd Schon der Name ist unpassend. Die Digitalkanäleheißen ja nicht etwa Digitalkanäle, weil sie die einzigenProgramme wären, die digital zu empfangen sind.Spätestens jetzt, da längst alle Programme digital zuempfangen sind und der analoge Empfang eher dieAusnahme ist, wäre Spartenkanäle das passendere Wort.Doch das Wort Digitalkanäle hat sich eingebürgert -und deswegen redet auch die Medienpolitik von denDigitalkonzepten der öffentlich-rechtlichen Sender.

Die Medienpolitik nämlich hat ARD und ZDF aufgefor-dert, bis Ende April neue Konzepte für ihre Digitalkanälevorzulegen. Und die Medienpolitik hat auch schon seitMonaten deutlich gemacht, was sie sich wünscht: EinenJugendkanal zum Beispiel, der ARD und ZDF wieder zumehr Akzeptanz bei der Jugend verhelfen soll - dasschrieb der damals noch amtierende Ministerpräsidentvon Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD), im Februar 2012in epd medien (epd 8/12). Und kaum ein Medienpolitiker- egal welcher Couleur - hat es in den vergangenenMonaten versäumt zu betonen, dass ARD und ZDF seinerMeinung nach sowieso viel zu viele Kanäle betreiben.

Wenig profiliert

Dabei waren es dieselben Medienpolitiker, nämlich dieMinisterpräsidenten, die ARD und ZDF in dem am 1.Juni 2009 in Kraft getretenen 12. Rundfunkänderungs-staatsvertrag damit beauftragten, diese Digitalkanäle zuveranstalten. In dem Vertrag wurde festgeschrieben, dassdie ARD drei Kanäle, EinsPlus, EinsFestival und EinsExtra,veranstalten soll (EinsExtra wurde am 30. April 2012umbenannt in Tagesschau24). Die Digitalkanäle desZDF hießen im damaligen Konzept noch ZDF-Infokanal(heute ZDFinfo), ZDF-Kulturkanal (heute ZDFkultur) undZDF-Familienkanal (ZDFneo). Notwendig wurden dieDigitalkonzepte, weil die Europäische Kommission imsogenannten Beihilfeverfahren 2007 gefordert hatte,dass der Auftrag der schon seit Ende der 90er Jahrebestehenden Digitalkanäle präziser formuliert werdenmüsse.

Eingeführt wurden die Digitalkanäle bereits in denJahren 1997 bis 2000 mit dem Hintergedanken, demPublikum die Digitalisierung des Fernsehens schmack-haft zu machen. Doch ARD und ZDF hatten diese Kanälein den ersten Jahren eher als zusätzliche Abspielstättefür schon vorhandene Programme betrachtet. Einzig der1999 gegründete ZDF-Theaterkanal stach mit einemeigenen Profil hervor.

So war es kein Wunder, dass die Landesmedienanstaltenin ihrem Digitalisierungsbericht 2008 feststellten, dassnoch immer mehr als die Hälfte der Deutschen analogesFernsehen nutzte. Die Autoren der Studie machten die„unbefriedigende Programmentwicklung“ dafür verant-wortlich, dass es „nicht genügend Anreiz zum Umstieg“gebe. Die Profilierung der Digitalkanäle von ARD undZDF sollte solche Anreize schaffen.

Aus sechs mach drei

Vier Jahre später scheint die Deutschen dank der Einfüh-rung des hochauflösenden Fernsehens eine regelrechteDigitalisierungseuphorie befallen zu haben. Fast vierFünftel der Haushalte nutzten 2012 digitale Fernsehge-räte - und nun, da der Umstieg auf Digitaltechnik fastvollzogen ist, meint die Politik, auf den Anreiz durchzusätzliche Programme verzichten zu können.

Hinzu kommt, dass man sich als Medienpolitiker in derderzeitigen Debattenlandschaft sehr beliebt machenkann, wenn man den „Nimmersatten“, wie die Kritikervon ARD und ZDF die öffentlich-rechtlichen Sendergern nennen, etwas wegnehmen will. Und seien es nurein paar Digitalkanäle, die zusammen nicht mehr als95 Millionen Euro kosten - deren Budget insgesamtalso gerade mal 1,25 Prozent der Rundfunkeinnahmenausmacht.

In dieser Gemengelage hat die ARD nun die Flucht nachvorn angetreten: Großzügig hat sie angeboten, ihreDigitalkanäle mit denen des ZDF zusammenzulegen. Aussechs mach drei - das ist das Sendereinmaleins. Denöffentlich-rechtlichen Partnersender ZDF informiertendie Intendanten von diesem Angebot, das man nichtablehnen kann, kurz bevor sie ihre Pläne der Öffentlich-keit mitteilten. Denkbar gute Startbedingungen für einegelingende Kooperation also.

Es zeugt schon von einer gewissen Chuzpe, dass ausge-rechnet die ARD, die in der Vergangenheit nicht einmalin der Lage war, ihre Digitalkanäle EinsFestival undEinsPlus zusammenzulegen, weil die federführendenSender WDR und SWR sich nicht einigen konnten (epd11/11), nun dem ZDF anbietet, mit ihm gemeinsameSache zu machen.

Kein Wunder also, dass das ZDF zunächst einmal zu-rückhaltend auf die großzügige Vereinahmung durchdie ARD reagierte. Es sei zwar nachvollziehbar, „dasssich die ARD am Erfolg der ZDF-Digitalkanäle ZDFneo

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n DEBATTE n4 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

und ZDFinfo beteiligen möchte, die beide mit 0,9 Pro-zent und 0,6 Prozent Marktanteil weit mehr Zuschauererreichen als die Digitalableger der ARD“, teilte derSender kühl mit. Das Zweite sehe aber in dem Vorschlag„keine Sparpotenziale“, sondern befürchte im Gegenteil„kompliziertere Strukturen“. Das ist nicht von der Handzu weisen, wenn man sich einen gemeinsamen Spar-tenkanal wie Phoenix anschaut, von dem gelegentlichzu hören war, dass seine zwei von der ARD und vomZDF bestallten Geschäftsführer entweder gar nicht mit-einander redeten oder grundsätzlich Gegensätzlicheswollten. Billig sind die Digitalkanäle bisher vor allemdeshalb, weil es keine Senderchefs und keine aufwen-digen Strukturen gibt und vieles von den Redaktionender Hauptsender mitbetreut wird.

Kein Konzept

Das Zweite hatte seinerseits schon vor Wochen ange-kündigt, dass es seinen Spartensender ZDFkultur zurDisposition stellt. „Spargründe“ macht ZDF-IntendantThomas Bellut für die Entscheidung verantwortlich,ausgerechnet den jüngsten und innovativsten Kanal auf-zugeben. Und ganz nebenbei hat natürlich die Drohung,ZDFkultur einzustellen, ein gewisses Erpressungspoten-zial für Ministerpräsidenten, die ja im föderalen Systemauch für die Kultur zuständig sind. Doch dass die Mi-nisterpräsidenten keine Angst mehr davor haben, derKulturlosigkeit geziehen zu werden, haben die HerrenBeck und Kretschmann im vergangenen Jahr bewiesen,als sie ohne ein Wort der Kritik die Fusion der zweiOrchester des SWR durchgehen ließen.

Mit ihrem Vorschlag, mit dem sich die ARD-Intendantenbei den Medienpolitikern lieb Kind gemacht haben,haben sie geschickt verschleiert, dass sie gar keinKonzept für ihre Digitalkanäle haben. In Wirklichkeitwussten die ARD-Granden nie, was sie mit diesenSpartenkanälen anfangen sollen. Das zeigte sich schonin den 2008 vorgelegten Konzepten, in denen sie ihrePläne sehr viel weniger konkret formulierten als dasZDF, dessen damaliger Intendant Markus Schächterdie Digitalkanäle als Möglichkeit pries, sich aus der„babylonischen Gefangenschaft des Einkanalsenders“ zubefreien.

Und das zeigt sich in den Programmen, in denenhalbherzig mal Jan Böhmermann bei EinsPlus talkt undmal Sabine Heinrich bei EinsFestival. Die ARD-Anstaltenhatten in den vergangenen Jahren offenbar genug damitzu tun, ihre Dritten Programme zu fast identischenKlonen umzubauen, in denen nun Sendungen wie„Die beliebtesten Schauspieler der Hessen“ (wahlweise:Nordrhein-Westfalen oder des Nordens) rauf und runtergenudelt werden.

Das ZDF hingegen baute den am 1. November 2009gestarteten Sender ZDFneo in den vergangenen Jah-ren zielgerichtet zu einem ZDFzwei aus - auch mitHilfe von interessanten und jugendlichen Formaten wie„Bambule“ mit Sarah Kuttner und „Neo Paradise“ mitJoko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf. Das ZDFmachte neo und auch kultur tatsächlich zu Innovations-laboren, nicht zuletzt mit Programmaktionen wie demTVLab, in dem einmal im Jahr eine Woche lang neueProgrammformate gezeigt und zur Abstimmung gestelltwerden. Für den Sender gibt das ZDF soviel Geld auswie die ARD für alle drei Digitalkanäle zusammen.

Innovationspotenzial

Dank dieser Programmierung und auch dank eineraktiven Bewerbung im Hauptprogramm schaffte esZDFneo, in den ersten drei Monaten des Jahres immerhinauf einen Marktanteil von durchschnittlich 0,8 Prozentzu kommen, während die ARD-Kanäle Tagesschau24und EinsPlus bei 0,1 Prozent vor sich hindümpeln. AuchEinsFestival bleibt mit 0,3 Prozent weit hinter ZDFneozurück. Kein Senderchef kann ein Interesse daran haben,einen Sender, der nach drei Jahren schon ähnlicheMarktanteile erreicht wie ARTE, aufzugeben oder in einekomplizierte Kooperation mit der ARD einzubringen.

Das ZDF zumindest hat gezeigt, dass es sehr wohl in derLage ist, die Innovationspotenziale der Spartenkanäle zunutzen. Umso unverständlicher ist die Forderung nacheinem Jugendkanal, die plötzlich zum Lieblingsthemader Medienpolitiker und auch der Gremien gewordenist. Diese Forderung kommt zu einem Zeitpunkt, dadie Utopie der 90er, dass jeder Mensch im digitalenZeitalter zu seinem eigenen Programmdirektor wird,mehr und mehr Wirklichkeit wird. Junge Menschenschauen heute Videos bei YouTube, in den Mediathekenund zwischendurch jede Menge Serien auf DVD. Ihnenist völlig egal, ob der ursprünglich aussendende Kanalnun ZDF hieß, ARD, RTL oder VOX. Im Zweifelsfall wissensie es gar nicht, die Bindung an den einen Kanal („meinRTL“) gibt es schon lange nicht mehr. Die Idee einesJugendkanals kommt mindestens zehn Jahre zu spät.

Kurzatmige Medienpolitik

Die mütterliche Aufforderung der rheinland-pfälzischenMinisterpräsidentin Malu Dreyer (SPD) an ARD und ZDF,sie möchten sich doch bitteschön besser abstimmen,zeigt das ganze Dilemma einer kurzatmigen Medienpoli-tik, die sich zu wenig für Strukturen interessiert und zuhäufig auf symbolische Politik setzt. Nachdem man dieKonzepte für die Digitalkanäle genehmigt hatte, stellteman drei Jahre später plötzlich fest, es seien nun dochzu viele, und überhaupt wolle man einen Jugendkanal.Doch wen bitte soll so ein Jugendkanal erreichen? Die

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Jugendlichen, die schon lange nicht mehr Viva oderMTV gucken? Die Medienpolitiker, die immer noch inProgrammschemata denken?

Mit ihrem schlichten Sendereinmaleins macht es sichdie Medienpolitik zu einfach. Aber das Angebot aus

sechs mach drei klingt zu verlockend. Man wird es nichtliegen lassen. Das Nachsehen hat der Beitragszahler,der am Ende wieder komplizierte Senderstrukturenfinanzieren muss statt guter Ideen. n

Selbstbewusste GremlinsDie Rundfunkräte müssen transparenter werden / Von Fritz Wolf

n DEBATTE n 526.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

epd Es könnte ganz einfach sein: Wer die Arbeit derRundfunkgremien verbessern, verändern oder effizientergestalten will, muss sich nur in Nachbars Gartenumsehen. Die Spielräume sind schon da.

Rundfunkratssitzungen zum Beispiel sollten grundsätz-lich öffentlich zugänglich sein? Geht doch - beim SWRoder beim BR. Jemand möchte gern wissen, wie viel Auf-wandsentschädigung Gremienmitglieder bekommen?Nicht beim Rundfunkrat des HR nachfragen, der ver-weigert jede Auskunft - aber bei Radio Bremen hat derRundfunkrat beschlossen, sie auf Euro und Cent ins Netzzu stellen; schließlich sei man ja den Gebührenzahlerngegenüber verpflichtet. Interessierte Bürger möchtendie Protokolle der Gremiensitzungen nachlesen, auswelchen Gründen auch immer? Das könnte mühsamwerden beim ZDF, dort werden Sitzungsprotokolle wieGeheimdokumente behandelt. Aber beim RBB hat derRundfunkrat beschlossen, die Papiere ins Netz zu stellen.Gremien sind schließlich keine Geheimbünde.

Föderale Strukturen

Die Beispiele zeigen: Offenbar wissen in den föderalstrukturierten Sendern der ARD die einen Gremien-vertreter manchmal nicht, auf welcher Grundlage dieKollegen in den anderen Sendern arbeiten. Sie vertei-digen Positionen, die andere längst aufgegeben habenoder verhindern eine Öffentlichkeit, die andere längstpflegen. Der Grund ist der föderal strukturierte Rund-funk, jedes Land stellt seine eigenen Rundfunkgesetze,Satzungen und Geschäftsordnungen auf.

Diese gleichen sich auf den ersten Blick in den Grundzü-gen, auf den zweiten unterscheiden sie sich erheblich.Die Feinheiten kennen nur die Juristen und einigeFachleute. Wie überhaupt Medienpolitik in Deutschlandeine Angelegenheit von Juristen und Experten ist, kaumeinmal aber Gegenstand einer größeren öffentlichenAufmerksamkeit. epd medien hat vor fünf Jahren eine„Gremiendebatte“ angestoßen, deren Ergebnisse auch

heute noch wichtig sind. Sie ist freilich im engen Zirkelder Medienöffentlichkeit verblieben.

Öffentlicher Auftrag

epd Der Publizist Fritz Wolf hat im Auftrag derOtto-Brenner-Stiftung (OBS) die Arbeit derGremien von ARD und ZDF untersucht. Wolfkommt in dieser Studie zu dem Schluss, dassdie Arbeit der Gremien sehr unterschiedlichorganisiert ist. Auch die Zusammensetzungder Räte unterscheidet sich von Anstalt zuAnstalt. Vieles ließe sich hier anpassen, ohnedas föderale Prinzip zu gefährden, meint derPublizist. Zugleich fordert er die Gremienmit-glieder auf, sich medienpolitisch stärker zuengagieren. Die Studie erschien unter dem Ti-tel „Im öffentlichen Auftrag. Selbstverständnisder Rundfunkgremien, politische Praxis undReformvorschläge“ als OBS-Arbeitsheft 73.Für epd medien hat der Autor die Ergebnisseseiner Studie zusammengefasst. An die ent-sendenden Organisationen appelliert er, dieGremien nicht als „Arenen für parteipolitischesSchattenboxen“ zu missbrauchen.

In der breiten Öffentlichkeit jedenfalls sind die Rund-funkgremien ein weitgehend unbekanntes Phänomen.Wer wird dorthin delegiert? Was sollen die Gremienleisten, was können sie leisten? Sind das nicht die „Grem-lins“, die Günther Jauch vor einigen Jahren noch eineTalkshow in der ARD vermiest haben? Sind Rundfunkrätenicht Leute, die immer brav ihren Intendanten zu- undderen Pläne abnicken? Andererseits war doch zu hören,dass etwa der ARD-Programmbeirat die öffentlicheKritik an der Talkshow-Schiene der ARD aufgegriffenund Veränderungen gefordert hat. Oder dass einigeARD-Rundfunkräte dem Fernsehdeal mit Boxpromoternkünftig die Zustimmung verweigern wollen.

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n DEBATTE n6 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

Und dann ist da noch die beim Bundesverfassungs-gericht anhängige Normenkontrollklage gegen denZDF-Staatsvertrag im Gefolge der Affäre Brender. Dieobersten Richter sollen prüfen, ob in den Gremien desZDF zu viele Politiker und Regierungsvertreter sitzenund ob diese Konstruktion den verfassungsrechtlichenGrundsatz der Staatsfreiheit verletzt. Wie so häufig istauch hier wieder eine politische Frage auf die langejuristische Bank geschoben worden.

Gebot der Stunde

Es gibt jedenfalls genug Gründe, sich näher und auspraktischer Sicht mit der Arbeit der Rundfunkgremienzu befassen. Schon allein aus Gründen der Transparenz.Transparenz ist in den öffentlich-rechtlichen Sendernein Gebot der Stunde. Der Medienwandel, die Attackender Verleger und die Umstellung der Rundfunkgebührhaben diese Frage noch einmal nach vorne gebracht.Was geschieht mit den Rundfunkbeiträgen? Welche ArtProgramm wird mit diesem Geld auf den Weg gebracht?Wer kontrolliert, ob ARD und ZDF den Programmauftragerfüllen?

Die Kontrolle obliegt den Gremien - so steht es inden Gesetzen. Aber nicht nur besteht zwischen Theorieund Praxis der Gremienarbeit, zwischen gesetzlichemAuftrag und politischer Praxis manchmal ein erhebli-cher Unterschied. Auch innerhalb der Gremien selbstagieren unterschiedliche Interessengruppen und un-terschiedliche Mentalitäten. Rundfunkräte haben eineambivalente Position. Sie sind per Auftrag der Öffentlich-keit verpflichtet, sind aber von Interessenorganisationenentsandt. Sie sollen ihren Sender kontrollieren, aber esist eben auch ihr Sender, dem sie sich loyal verpflichtetfühlen. Sie brauchen in den unübersichtlichen medien-politischen Fragen immer mehr Fachwissen, sind aberehrenamtlich tätig.

Eine der Schlüsselfragen der Gremienpolitik ist die Rolleder Parteipolitik. Sie war vom demokratischen Anfangdes öffentlich-rechtlichen Rundfunks an virulent, hatsich über Jahrzehnte hinweg in der Farbenlehre und imParteienproporz manifestiert und wird erst seit einigerZeit vorsichtig modifiziert.

Politische Freundeskreise

Das Hauptaugenmerk gilt vor allem den Staatsvertreternin den Gremien. Im ZDF ist ihre Präsenz schlagend. ImVerwaltungsrat sitzen nominell fünf Ministerpräsidenten(ein Platz ist zurzeit vakant), im Fernsehrat nicht wenigeStaatssekretäre. In einigen Sendern haben die Vertreterdes Staates den Rückzug antreten müssen, im WDRetwa. Im SWR steht dieser Rückzug mit der Novellierungdes SWR-Gesetzes in diesem Jahr an. Aber noch sitzen

in zahlreichen Gremien etwa des MDR, des BR oder desHR Abgesandte des Staates.

Etwas anders verhält es sich mit den Parlamentariern.Vertreter der Parteien werden in die Gremien als eineeigene gesellschaftliche Gruppe entsandt, die Zahlenver-hältnisse sind in den Gesetzen festgeschrieben. Nimmtman die offiziellen Zahlen, zeigt sich, dass der Einflussder Parteipolitiker in den einzelnen Sendern der ARDsehr unterschiedlich ausfällt. Auch sitzen in den Verwal-tungsräten signifikant mehr Parteipolitiker als in denRundfunkräten.

Der parteipolitische Einfluss reicht aber weiter. Tat-sächlich haben sich Strukturen herausgebildet, die imRundfunkauftrag nicht vorgesehen sind - etwa diepolitischen Freundeskreise, die in manchen, nicht allenSendern agieren. Zwischen die Farben Schwarz undRot haben sich in den letzten Jahren die Farben Grau(in Bremen: bunt) gemischt, in denen die Vertreter dersogenannten gesellschaftlichen Gruppen ihre Agendaberaten. Diese Gruppen sind freilich ihrerseits auchhäufig wieder parteipolitisch durchmischt.

Der reale Einfluss der Parteipolitik ist weniger messbar,aber deutlich größer als der nominale. Die Parteienbeherrschen das politische Geschäft vor und hinter denKulissen, haben Erfahrung darin, wie man Mehrheitenbeschafft und politische Ziele durchsetzt. Viele Gremien-mitglieder, die von Verbänden und Institutionen benanntwerden, haben zudem politische Karrieren hinter sich,waren in der Landespolitik oder in der Gemeindepolitikaktiv und bringen damit parteipolitischen Hintergrundmit.

Hinter den Kulissen

Jede Reform der Gremienarbeit müsste an diesem Punktansetzen. Die Gesetzgeber müssen, schon allein um demGrundsatz der Staatsferne Genüge zu tun, selbst dafürsorgen, dass Vertreter des Staates in den unabhängigenKontrollgremien nichts mehr zu suchen haben. Dieparteipolitischen Freundeskreise gehören abgeschafft,mindestens sollten sie in ihrem Einfluss beschnittenwerden. Und die Gremien selbst müssen im eigenenInteresse dafür sorgen, dass der Einfluss der Parteipolitikjedenfalls die eigene Arbeit nicht dominiert. Spätestensbei Personalfragen weiß bis heute jede Gremie, wie derparteipolitische Hase läuft.

Zweite Schlüsselfrage ist die Transparenz. In diesemPunkt gleichen die Gremien ihren Sendern. Die Öffent-lichkeit weiß nicht nur deshalb wenig von der Arbeitder Gremien, weil es sich um ein Spezialthema handelt,sondern auch, weil viele Gremien lieber hinter denKulissen agieren. „Präventive Wirkung der Fernsehrats-

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n DEBATTE n 726.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

antizipation“ hat der Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats,Ruprecht Polenz, das einmal genannt. Es liegt auf derHand, dass dieser Zustand der Geheimniskrämerei auflange Frist keinen Bestand haben kann. Er beschädigterstens das Ansehen der Gremien selbst, weil sie sich da-mit dem Verdacht ausliefern, lieber mit den Intendantenzu kungeln als sie zu kontrollieren. Er widerspricht auchden politischen Notwendigkeiten, die auf die Senderwie auf die Gremien zukommen.

Transparenz beginnt schon bei der Öffentlichkeitsarbeit.Dürre Kommuniques, lustlose Personalien, ein paar not-dürftig aufgereihte Zahlen aus dem Haushalt, insgesamtgerade mal das Notwendigste - das charakterisiert bisheute die öffentliche Präsenz nicht weniger Rundfun-kräte. Was strittig ist, was diskutiert wurde, welcheArgumente sich warum durchgesetzt haben - sehr seltendringt davon etwas nach außen.

Dass es auch anders geht, haben die Publikationen zumsogenannten Drei-Stufen-Test gezeigt, wo die Gremienper Gesetz dazu verpflichtet waren, Gutachten undBeschlüsse offenzulegen. Aus diesem Beispiel wäre zulernen auch für die beiden wichtigsten Aktivitäten. Sit-zungen sollten im Grundsatz öffentlich sein, Beschlüssebegründet und publiziert werden und Sitzungsproto-kolle und Dossiers sollten öffentlich zugänglich gemachtwerden. Ein Kunststück kann das nicht sein, jeder Rund-funkrat hat heutzutage eine eigene Website.

Der Öffentlichkeit verpflichtet

Es ist ohnehin eine der Absurditäten des Mediensystems,dass ausgerechnet Institutionen, die für Transparenz inder Gesellschaft sorgen sollen, in eigenen Angelegenhei-ten so intransparent sind. Niemand wird erwarten, dassplötzlich große Nachfrage nach Sitzungsprotokollen ein-setzen wird; so spannend ist die Lektüre wirklich nicht.Auch werden öffentliche Rundfunkratssitzungen wohlkaum von informationshungrigen Bürgern gestürmtwerden. Es geht vielmehr darum, dass die Gremien einSignal setzen, dass sie sich in ihrer Arbeit vor allemanderen der Öffentlichkeit verpflichtet fühlen.

Wenn die Gremien selbst den Schritt in die Öffentlichkeitnicht wagen, werden andere dafür sorgen, dass dieDaten öffentlich werden. Der Datenjournalist LorenzMatzat hat dieser Tage die Initiative Open ARD ZDFgegründet, die detaillierte Transparenz bei den Ausgabender öffentlich-rechtlichen Sender schaffen will.

Wenn die Räte selbst für mehr Öffentlichkeit sorgenwollen, sollten sie wenigstens gelegentlich Rundfun-kratssitzungen so interessant planen und auslegen, dasstatsächlich dafür öffentliche Aufmerksamkeit erreichtwerden kann. Rundfunkräte könnten so dazu beitragen,

dass Angelegenheiten des Rundfunks nicht nur als Fragevon Service und Konsum betrachtet werden, sondern alseine von Demokratie, bürgerlichem Selbstverständnisund gesellschaftlicher Kommunikation.

Dafür müssen sich drittens die Gremien modernisieren,und zwar auf mehreren Ebenen. Ein innerer Widerspruchist, dass Gremienarbeit Ehrenamt ist, diese aber zugleichhohe Qualifikationen erfordert. Professionalisierung istdafür ein wesentlicher Schlüssel. Die Gremienvorsitzen-denkonferenz (GVK) der ARD spielt inzwischen in Fragender Qualifikation und der einheitlichen Meinungsbil-dung in den Rundfunkräten der ARD eine wichtige Rolle.In den einzelnen Sendern finden sich wieder unter-schiedliche Ansätze. Während etwa das WDR-Gesetzein Mindestmaß an medienpolitischen Kenntnissen ver-langt und im Radio-Bremen-Gesetz Weiterbildung sogarverpflichtend festgeschrieben ist, verzichten die meistenanderen Gremien auf solche Festlegungen.

Externer Sachverstand

Sabine Nehls, die 2009 in einer Studie die Strukturenfür gewerkschaftliche Gremienmitglieder untersuchthat, kam zu dem Ergebnis, dass Weiterbildung undProfessionalisierung der Gremienmitglieder den Erfor-dernissen weit hinterher hinkt und nicht systematischgepflegt und gefördert wird. Zur Professionalisierunggehört auch, dass Gremien in die Lage versetzt werdenmüssen, externen Sachverstand heranziehen, wenn dieAufgabe es erfordert - so wie es paradigmatisch im Falldes Drei-Stufen-Tests der Fall war.

Es fehlt hier insgesamt an Strukturen und wohl auch anEinsicht. Dazu müssten die Arbeitsstrukturen der Kon-trolleure verbessert werden. Sie fallen in den einzelnenSendern höchst unterschiedlich aus. Beim WDR oderbeim ZDF sorgen große und finanziell gut ausgestatteteGremienbüros dafür, dass die Rundfunkräte arbeitsfähigsind. Anderswo sind die Gremienbüros nur kümmerlichausgestattet, können nicht einmal eigenständige Pres-searbeit leisten. Hier liegt eine Aufgabe der Gesetzgeber,für eine wenigstens einigermaßen vertretbare Anglei-chung der Ausstattung zu sorgen. Und eine Aufgabe derRundfunkräte, entsprechende Strukturen zu fordern.

Modernisierungsbedarf besteht auch in der Zusammen-setzung der Gremien. Mit wenigen Ausnahmen (etwabeim NDR) sind die Amtszeiten für Rundfunkräte nichtbegrenzt. Das führt nicht selten zu langen, sehr langenGremienkarrieren. Das mag zwar Sach- und Verfahrens-kenntnis mit sich bringen, auch Kontinuität sichern,behindert aber auf der anderen Seite die Flexibilität.Vor allem verändert sich sie Gesellschaft schneller, alsdie gesetzlichen Regelungen nachkommen. So agierenin einigen Rundfunkräten immer noch Vertreter der

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Vertriebenenverbände, aber Vertreter aus Nichtregie-rungsorganisationen wie Amnesty International, Attackoder Reporter ohne Grenzen sucht man hier vergebens.

Dass sich etwas verändern lässt, zeigt sich daran, dassin fast allen Rundfunkräten Vertreter von Migranteneinbezogen sind. Mit dem neuen SWR-Gesetz sollen imSWR erstmals auch Muslime eine Vertretung bekommen;die Vertriebenenverbände und die Freikirchen dagegenmüssen ihre Sitze abgeben.

Medienpolitisches Faustpfand

Nicht auf der Höhe der Zeit sind die Gremien auchin Sachen Geschlechtergerechtigkeit. Beim ZDF etwaoder auch beim Bayerischen Rundfunk und beim MDRstimmen die Proportionen noch lange nicht, Frauensind deutlich unterrepräsentiert. Nur beim NDR und beiRadio Bremen kann man von Gleichstand sprechen.

Als eine der zentralen Fragen für die Zukunft derGremien wird sich die Entsendepraxis erweisen, wasden Sachverstand wie auch das medienpolitische Enga-gement angeht. Der rundfunkpolitische Auftrag mussin den einzelnen Organisationen ernster genommenwerden. Sitze in Rundfunkräten dürfen nicht politi-sche Versorgungsposten sein, Spielplatz für Wichtig-tuer und Adabeis. Die Räte sind keine Arenen fürparteipolitisches Schattenboxen. Die medienpolitischeBedeutung aktiver, kontrollierender und selbstbewus-ster Gremlins ist zu groß, um sie zu verspielen. Dasöffentlich-rechtliche Rundfunksystem verfügt in dieserdemokratischen Grundkonstruktion über ein wichti-ges medienpolitisches Faustpfand. Und alle diejenigen,die in einem rein kommerziellen Mediensystem keineAufmerksamkeit mehr fänden, sollten größtes Eigen-interesse haben, es nicht leichtfertig aus der Hand zugeben. n

Professionalisiert die Rundfunkräte!

Die (Ohn-)Macht der ehrenamtlichen Gremien / Von Jutta Brückner

n DEBATTE n8 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

epd In den erregten Debatten um das neue Bezahlm-odell für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstaltentreffen sich in der Ablehnungsfront die unterschied-lichsten Positionen. Einen sehr starken Anteil haben diePrintmedien verschiedener Couleur, an ihrer Speerspitze„Bild“. Das hat die Anstalten dazu verleitet, die Kritikals eine reine Wettbewerbskampagne zu sehen undsich darauf zu verlassen, dass sie ihre Interessen instiller Diplomatie und im Verbund mit wohlmeinendenMedienpolitikern wahren können.

Die Wirklichkeit ist aber komplexer und auch gefähr-licher. Denn die Verleger und ihre Angestellten, derenökonomische Zwänge und persönliche Ängste nicht zuleugnen sind, sehen sich in ihren Vorbehalten und Res-sentiments von einer breiten Resonanz an Zustimmunggespiegelt und zu immer neuen populistischen Attackenangestachelt durch eine bislang unbekannte Allianz. Dasind einmal die Netz-Aktivisten, die die Fernsehgebührals eine Art Paywall ansehen, die geschleift gehört,und die überdies glauben, das Medium Fernsehen alshistorisch überholt längst hinter sich gelassen zu haben.

In dieser Verweigerungshaltung sind sie sich einig mit bil-dungsbürgerlichen Kreisen, die aus totaler Enttäuschungüber zu viel Talk und Schmonzetten fernseh-abstinentoder - wie die Medienredaktion der „SüddeutschenZeitung“ - zu tiefen Skeptikern des Systems gewor-

den sind. Oder „Dschungelcamp forever“ rufen unddas marktschreierische Unterschichten-Angebot vonRTLSAT1PRO7RTL2 als ironischen Metatext feiern. Dannist da die große Gruppe einer unteren Mittelschicht, dieglaubt, dass 17,98 Euro im Monat eine Menge Geld imHaushaltsbudget ist für ein Programm, das sie kaumschaut. Für Bevölkerungsteile, die nur Privatsender se-hen, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits dieLegitimation verloren.

So heterogen die Gründe im Einzelnen auch sind, zusam-men ergeben sie eine hochexplosive Mischung, derenmögliche Wirkung von den Hierarchen in den Sendernvon ARD und ZDF sträflich unterschätzt wird, wennsie beschließen, sich durch medial geschürte Hysteriennicht verrückt machen zu lassen. Denn hier handeltes sich nicht um eine saisonale Modeerscheinung, dieman aussitzen kann. Alarmierend für jeden Intendantensollte schon der Blick auf das Feld seiner Getreuen indieser Schlacht sein. Die Produzentenallianz hat voreinigen Wochen leise auf die Vorteile der neuen Rund-funkabgabe hingewiesen, jetzt haben medienpolitischengagierte Gewerkschafter von DGB und IG Metall ihreStimme erhoben (epd 14/13). Aber sonst? Schweigen.Schweigen, das man nicht unbedingt als Zustimmungwerten sollte.

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n DEBATTE n 926.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

Zu tief sitzen inzwischen die Ressentiments, zu großsind Entfremdung und Enttäuschung geworden. Und zubreit sind die Angriffsflächen, die ARD und ZDF in ihrenHauptprogrammen bieten. Oft hat man den Eindruck,dass es den Programmverantwortlichen überhaupt nichtbewusst ist, dass eine völlig neue Situation entstehenwird, wenn schon morgen auf den neuen Fernsehgerätendie Angebote der Öffentlich-Rechtlichen auch noch mitYoutube, Google und Apple konkurrieren müssen.

Überteuerte Sportrechte

In der Fülle von frei wählbaren Einzelwerken, diedann zur Verfügung stehen, wird das, was bisherschon von vielen Kritikern immer wieder als Baustellender öffentlich-rechtlichen Programme benannt wordenist, in einem noch grelleren Licht erscheinen: diemaßlos überteuerten Sportrechte, die Ausdünnung vonattraktiven Politikangeboten, die Auslagerung von allem„Anspruchsvollen“ in die Spartenkanäle 3sat, ARTE undPhoenix und das Übermaß der banalen Spielfilme mitschematischen Plotkonstruktionen und - wie es beiden Programmachern heißt - „weichen, frauenaffinenThemen“. Und nicht zuletzt die Dauerkriminalisierungaller gesellschaftlichen Zusammenhänge, wie sie uns Tagfür Tag in unzähligen Kriminalserien entgegenschwappt.

Diese Entwicklung hält nun schon eine Zeit lang an undes wird dringlich, sich zu fragen, was die Kontrollorganeder Rundfunkanstalten, die Rundfunkräte, dazu sagen.Unzufriedenheit mit den Sendern müsste logischerweiseauch in Unzufriedenheit mit den Rundfunkräten münden,die diese Entwicklung nicht verhindert haben. Denn siesind die Aufsichtsgremien der Sender.

In ihnen sitzen Vertreter jener klassischen Öffentlichkeit,wie sie im 20. Jahrhundert definiert worden ist: Kirchenund Religionsgemeinschafteten, Arbeitgeberverbändeund Gewerkschaften, die Verbraucherzentrale, der Lan-desjugendring, die Vereinigungen von Schriftstellern,Journalisten, Migranten, Senioren, Frauen und natürlichdie Parteien. Und die erste von vielen Fragen, die sichauf die Funktion der Rundfunkräte beziehen, ist, obdiese bunte Mischung noch ausreicht, um die Anstaltenwirkungsvoll zu kontrollieren.

Rundfunkrat oder -rätin zu sein ist eine schwierige,undankbare Aufgabe. Die Zumutungen, Anforderungen,Hoffnungen sind gewaltig, die Möglichkeiten der Ein-flussnahme denkbar klein. Die Rundfunkräte dürfen denIntendanten und die Programmverantwortlichen wäh-len und einmal im Jahr dürfen sie den Wirtschaftsplanbeschließen, ein dickes Werk von großer Komplexität,das an jeden, der nicht berufsmäßig Bilanzen liest, hoheAnforderungen stellt. Aber das ist es auch schon.

Ansonsten dürfen die Rundfunkräte nur zur Kenntnisnehmen, denn sie sind nicht in die Entscheidungen einge-bunden und werden lediglich im Nachhinein informiert.Sie dürfen kritisieren, Fragen stellen, ihrer Unzufrieden-heit Ausdruck verleihen. Aber das alles bleibt ziemlichfolgenlos, denn de facto sind die Machtverhältnisse inSatzungen und Regelwerk festgeschrieben.

Die Macht der Kontrolleure

epd In den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sitzen Kon-trolleure jedweder Couleur - Vertreter von Ge-werkschaften, Frauenverbänden, Kirchen oderParteien sollen so die Einhaltung des gesetzli-chen Sendeauftrags überwachen, die Vielfaltim Programm sichern und den Haushalt desSenders genehmigen. Doch wie mächtig sinddie Kontrolleuere der Sender in der Realität?Unsere Gastautorin Jutta Brückner beschreibtaus ihrer Sicht Unzulänglichkeiten im Systemder ehrenamtlichen Rundfunkräte. Sie sitzt imRundfunkrat des RBB und im Programmbeiratvon ARTE Deutschland. Von den Sendern for-dert sie mehr Anstrengungen zur Fortbildungvon Rundfunkräten, mehr Expertise und auchmehr Transparenz.

Es gibt eine kategoriale Ungleichheit zwischen derGeschäftsführung als Exekutive, und denen, die sie aufdem Papier beaufsichtigen sollen. Hier der selbst inkleinen Sendern gut geölte Apparat mit seinen finanz-wirtschaftlichen und juristischen Experten, der seineEntscheidungen mit Engagement und differenziertemWissen verteidigt, dort eine kleine Gruppe von Men-schen, die jenseits ihrer partikularen Interessen undeines oft wachen, gesellschaftspolitischen Engagementsnichts über das innere Funktionieren eines Medienap-parates wissen. Hier eine Mannschaft, die mit ihremSender auch ihren Arbeitsplatz verteidigt, dort eineReihe von klugen und in ihren jeweiligen Bereichenkompetenten Menschen, die aber bei der Beurteilunggrundlegender medienpolitischer Fragen, die auch vonhochbezahlten Experten kontrovers diskutiert werden,hoffnungslos überfordert ist.

Es ist ein Parlament von ehrenamtlichen Mahnern undWächtern, das einmal alle zwei Monate für drei bisvier Stunden (wenn es hoch kommt) die Belange desSenders zur Kenntnis nimmt, aber keine Möglichkeithat, sich grundlegende Entscheidungen langfristig zuerarbeiten, Fachleute zu befragen oder sich Expertisenvorlegen zu lassen. Rundfunkräte bei den unterschiedli-chen Sendern arbeiten unterschiedlich, doch für alle gilt,

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n DEBATTE n10 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

dass die wirklich wichtigen Fragen mangels Zeit undallgemeiner Kenntnislage gar nicht behandelt werdenkönnen. Stattdessen gilt es, sich kleinlichen Beschwer-den und ausufernden Briefwechseln mit Gruppierungenzu widmen, die sich in irgendeiner Sendung nicht richtigdargestellt sehen.

Andere Sprache der Sender

Die Öffentlichkeit erwartet von diesen Rundfunkräten,dass sie kompetent und effektiv Kontrolle ausüben überAnstalten, die 2012 über 7,6 Milliarden Gebührengeldund Tausende Mitarbeiter verfügten. Das ist illusionär.Stillschweigende Einwilligung und freundliche Beglei-tung dessen, was die Geschäftsführung tut, ist unterdiesen Umständen - neben Kritik an einzelnen sichtba-ren Entscheidungen, die fast immer folgenlos bleibt -die einzige Möglichkeit.

Welche gravierenden Effekte interne Verschiebungenvon Bereichen und neue Zuschneidungen von Ressortshaben, wissen nur die Hauptabteilungsleiter. Wie sehrKapazitäten ausgedünnt und das Know-how in denSendern vielfach geschwunden ist, dringt nicht bis zuden Rundfunkräten. Über ungute Verquickungen undAbsprachen zwischen einzelnen Fernsehprominentenund deren Firmen und den Sendern wird nicht informiert,brisante Details aus Verträgen kommen allein durchZufall ans Tageslicht. Erst, wenn der Skandal da ist,weiß man, was man hätte fragen müssen, denn nur aufkonkrete Anfrage hin, werden die Dinge behandelt. UndProgrammkritik bezieht sich nur auf Gesendetes, nichtdarauf, was alles gesendet werden müsste und nichtgesendet wurde.

Die Sender sprechen mittlerweile oft eine andere Spra-che als ihre Gremien. Zu befürchten ist, dass es sichnicht nur um semantische Differenzen handelt, sonderndass auch eine andere Wahrnehmung von Wirklichkeiteingesetzt hat. Anders lässt sich nicht erklären, welcheunterschiedlichen Vorstellungen sich entwickelt habenbeispielsweise über die Frage, was unter der Sparte„Dokumentation“ verstanden werden soll oder wie vielBoulevard in der Information steckt. So etwas lässt sichnicht bestimmen, wenn nur die Anzahl der Sendeplätzeaufgezählt wird.

Zahlen und Einordnungen müssten deshalb immer aufdie Basis ihrer Erhebung hin befragt werden. Unddann ist man schon mittendrin in einer inhaltlichenDiskussion über programmliche Standards und darüber,warum viele im Prinzip gut gedachte Formate so schlechtgemacht sind. Häufig fehlt ihnen jede Form oder auchnur das Bewusstsein dafür. Doch das alles ist nur zuleisten, wenn man die Arbeit eines Rundfunkrates alsVollzeitbeschäftigung betreibt.

Bisher ist es ein Ehrenamt, und was das bedeutet, hatHans Hoff in der „Süddeutschen“ aufgezeigt. Im Gesam-tetat des WDR sind für die Rundfunkratsarbeit 2013 nur1,6 Millionen Euro veranschlagt, was etwas mehr als 0,1Prozent des WDR-Budgets entspricht. Und mit diesemschmalen Etatposten für seine Aufsichtsgremien ist derWDR noch Spitzenreiter unter den Anstalten der ARD.

Dagegen plant die Landesanstalt für Medien NRW für2013 mit einem Etat von 18,8 Millionen Euro, 15,8Millionen Euro der Einnahmen stammen aus dem Rund-funkbeitrag. Für die 14 Landesmedienanstalten, die überdie Privatsender wachen sollen, sind im Rundfunkstaats-vertrag zwei Prozent der Gebühren veranschlagt. Selbstwenn man nur ein Prozent ansetzte, da ihnen davonnicht alles zugutekommt, zahlt der Beitragszahler für diePrivatsenderüberwachung immer noch das Zehnfachedessen, was der Rundfunkrat kostet.

Das in der traditionellen Demokratie historisch ge-wachsene System der Rundfunkräte ist heute, in derpostmodernen Gesellschaft, nur noch ein Wurmfort-satz der Fernsehanstalten. Es behauptet Kontrolle, woKontrolle nicht wirklich stattfinden kann. Denn einKontrollgremium kann nur sinnvoll kontrollieren, wennes mitdenken kann - ansonsten degeneriert es zurMeckerbude. Und wenn man die Rundfunkräte wahl-weise als „Gremlins“ (Günther Jauch) tituliert oder als„Laienspielschar“ (Hans Hoff), dann sind die Einzelnendamit ungerecht abgeurteilt, nicht aber die Institutionals ganze.

In keiner Weise genügt sie mehr den Anforderungen aneine moderne Informations- und Mediengesellschaft.Unsere öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sindBig Player, die den gesamten Tagesablauf ihres Publi-kums strukturieren. Sie sind weiterhin unverzichtbar inder Demokratie, trotz der vielen Fehlentwicklungen derletzten Jahre und der mangelnden Transparenz sogarim Innern der einzelnen Häuser. Aber für sie gilt dasGleiche wie für die Demokratie selbst: Sie sind es nur,wenn sie nicht „marktförmig“ werden.

Umbau zum Service-Unternehmen

Die Verheerungen einer marktförmigen Demokratie,die sich die politischen Entscheidungen von den Fi-nanzmärkten diktieren lässt, erleben wir gerade. DieVerheerungen, die ein marktförmiger Rundfunk anrich-tet, sind nicht so leicht zu durchschauen, denn siekommen im freundlichen Servicegewand. Einem markt-förmigen Rundfunk sind die Launen seiner „Kunden“Gesetz. Es ist legitim, auch Service-Sendungen zu ma-chen, aber es entspricht nicht dem Gründungsgeist desöffentlich-rechtlichen Rundfunks, den gesamten Senderzum Service-Unternehmen durch ein Geschäftsmodell

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n DEBATTE n 1126.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

umzubauen, das seine „Tageskunden da abholt, wo siesind“ und ihnen in maßgeschneiderten ProgrammenConvenience-Food fürs Gehirn und die Augen liefert. Esgibt zu viele solcher Tendenzen im öffentlich-rechtlichenRundfunk.

Rundfunkräte haben diese Entwicklung durchaus schonkritisiert und angeprangert und manche hoffnungsvol-len Kritiker haben darin bereits einen Kulturwandelund ein gestärktes Selbstbewusstsein gesehen. Aberdie punktuelle Kritik an den vielen Talkshows im Ers-ten, an überteuerten Sportrechten, teurer Auslagerungvon Produktionen in die Firmen der Stars oder dieVernachlässigung der Kernkompetenz im Feld der Do-kumentationen, Kultur-Features und Reportagen habennur dann wenigstens Gehör gefunden, wenn sie vonder Medienkritik orchestriert worden sind, weil sich inihnen Skandale verbargen. Dass sie Wirkung gehabthätten, davon spricht vorläufig noch niemand.

Und auch erst seit dem finanzpolitischen Debakel derDegeto stehen deren Herzschmerz-Melodramen in ei-ner breiteren Öffentlichkeit in schlechtem Licht. DasGrundübel, die inhaltliche Verflachung durch Quoten-fixierung, die zu Angeboten auf dem kleinsten gemein-samen Nenner führt, hinter dem man die Mehrheitenvermutet, ist ungebrochen. Und hier reicht punktuelleKritik nicht aus, weil es um grundsätzliche Überlegungenüber das System eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks,seine Aufgaben und Funktionen in einer postmodernenDemokratie gehen muss.

Nicht nur im Nachhinein informieren

Solche Überlegungen können sinnvoll ansetzen an einerNeudefinition dessen, was ein Rundfunkrat sein sollte.Die BBC hat einen Trust und in ihm wachen gut bezahlteProfis über den Sender. Die „New York Times“ hat einenOmbudsmann, der als eine Art Schiedsrichter zwischenLesern und Redakteuren steht, ein unabhängiger Kon-trolleur mit besonderem Zugang zu den Redaktionen,von denen er aber nicht Mitglied ist.

Es gibt Überlegungen in Deutschland, ob der Rund-funkrat nicht eine Art „Ko-Management“ für eineGeschäftsführung sein sollte, die vor lauter Zwängender Anstalt und aktuellen Problemen kurzatmig bis blindagiert und nur noch in der Logik des Systems denkt.Welches der Modelle man aber auch wählt, die Arbeitder Rundfunkräte muss professionalisiert werden, umsie sinnvoll in Entscheidungsprozesse einzubinden undnicht nur im Nachhinein zu informieren.

Wenn man am bisherigen Modell gesellschaftlicherRepräsentanz festhalten will, müssen den Gremien-vertretern unbedingt Fachleute an die Seite gestellt

werden. Denn ohne Fachkenntnisse sind die Entwick-lungen von heute und morgen nicht mehr zu begreifenund zu steuern. Zusätzlich müssen die RundfunkräteArbeitsmöglichkeiten bekommen, die über die sporadi-schen Treffen, wie es sie heute gibt, weit hinausgehen,und Mittel, sich kundig zu machen und Expertiseneinzuholen.

Denn die Rundfunkräte als Vertreter der Öffentlichkeitsollten die eigentlichen Ansprechpartner der Geschäfts-führungen sein und nicht die Medienfirmen, von denenviele Anstalten sich heute Profil und Programm vor-schreiben lassen. Deren Ausrichtung am Markt ist ihrGeschäftsmodell und Existenzberechtigung. Markt undÖffentlichkeit sind aber nicht identisch. Die Behauptung,sie seien es, ist der Kern jenes neoliberalen Modells,dessen Verheerungen wir heute teuer bezahlen.

Nur eine solche grundlegende Professionalisierungwürde den Rundfunkrat von einem freundlich abni-ckenden Ehrenamt zu einer wirklichen Kontrollinstanzmachen, und das ist nur mit wirklicher Arbeit und Ent-lohnung zu machen. Denn es steht mehr auf der Agendaals ein bisschen Programmkritik an Formaten, ein kleinerRelaunch, ein paar Programmänderungen hier und daund eine verstärkte Werbe- und PR-Offensive.

Es geht auch um die innere Verfasstheit der Sender, dieMedienbeobachter inzwischen als Neo-Feudalisierungbeschreiben. Undurchsichtige und tief zweifelhafte Ent-scheidungen von Hierarchen haben dazu geführt, dassviele Redakteure sich an Gängelung und Kompetenz-entzug gewöhnen mussten oder daran, dass sie als gutbezahlte Grüß-Gott-Auguste nicht mehr Programma-cher, sondern Programmmanager von ausgelagertenEntscheidungsprozessen sind. Die Kapazitäten sind aus-gedünnt worden und die Kompetenzen in den Sendernsind vielfach geschwunden.

Fachlicher Qualifizierungsbedarf

Da bekanntlich der Fisch zuerst vom Kopf her stinkt, liegtauch in diesem Fall die Hauptschuld in den Hierarchen,die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind und imZweifelsfall ihren eigenen Mitarbeitern wenig bis nichtszutrauen, ihnen systematisch das Vertrauen entzogenhaben und stattdessen am liebsten auch alle kreativenGedanken über ein Outsourcing-Verfahren beziehen -am besten von Töchtern und Enkeltöchtern ihrer Sender.Wohl auch deshalb traf den Chefredakteur des WDR, dervom neuen Rundfunkbeitrag als „Demokratieabgabe“sprach, so viel Hohn, denn vieles in den Anstalten selbstist ein schlechtes Beispiel für transparente Demokratie.

Die klassische Demokratie, das Gesellschaftsmodell, indem der öffentlich-rechtliche Rundfunk und damit auch

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seine Kontrollorgane, die Rundfunkräte, eingerichtetworden sind, existiert nicht mehr. Die postmoderneGesellschaft ist eine Informations- und Mediengesell-schaft, die weiterhin global explodiert. Wir erlebeneinen revolutionären, technologisch getriebenen Struk-turwandel der Öffentlichkeit, von dem wir noch garnicht wissen, wohin er führt.

Nicht nur die augenblicklichen Rundfunkräte habenfachlichen Qualifizierungsbedarf in den grundlegendenFragen, die Programmmacher und Entscheider, unterihnen kluge und engagierte Leute, haben ihn ebenfalls.Die Rundfunkanstalten spielen eine zentrale Rolle dafür,dass die Herausforderungen unsrer Zeit erkannt undStrategien entwickelt werden, wie ihnen zu begegnenist. Aber nicht mit dem Arsenal von gestern. n

n INLAND n12 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

n INLAND

Gericht: Meldedatenabgleich fürRundfunkbeitrag ist zulässigBayerischer Verfassungsgerichtshof weistAntrag auf Einstweilige Anordnung zurück

München (epd). Der einmalige Meldedatenabgleichin Zusammenhang mit der Reform der Rundfunk-gebühr ist nach Ansicht des Bayerischen Verfas-sungsgerichtshofs zulässig. Wie das Gericht am 22.April bestätigte, hat es einen Antrag auf eine Einst-weilige Anordnung gegen den Meldedatenabgleichzurückgewiesen. Geklagt hatte ein wissenschaftli-cher Mitarbeiter der Universität Passau, der durchden Abgleich die informationelle Selbstbestimmungder Wohnungsinhaber verletzt sah. Der BayerischeRundfunk begrüßte das Urteil.

Der Meldedatenabgleich sei ein „effizientes Kontrollin-strument“, urteilte der Verfassungsgerichtshof, mit demeine „verlässliche und möglichst vollständige Erfassungder Rundfunkbeitragsschuldner im privaten Bereich ineinem überschaubaren Zeitraum sichergestellt werdensoll“. Der Abgleich diene damit auch einer größeren Bei-tragsgerechtigkeit. Eine Aussetzung würde „zumindestvorübergehend eine gleichmäßige Beitragserhebung inerheblicher Weise beeinträchtigen“.

Der Jurist Ermano Geuer hatte im vergangenen Jahr einePopularklage gegen den neuen Rundfunkbeitrag beimBayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht, weil ererhebliche Härten im Einzelfall aufweise (epd 33/12).Über die Klage in der Hauptsache hat das Gericht nochnicht entschieden. Geuer hatte in der Erstellung eines„zentralen Melderegisters“ durch den Beitragsservice derRundfunkanstalten ein „enormes Missbrauchspotenzial“gesehen. Er hatte argumentiert, es würden auch Datenübermittelt, die für die Rundfunkgebührenpflicht „voll-kommen unerheblich“ seien, wie etwa der Doktorgradoder der Familienstand.

Das Gericht verwies darauf, dass die Daten zweckgebun-den übermittelt würden. Zudem gebe es Löschpflichten

für die Landesrundfunkanstalten. Dadurch sei sicherge-stellt, dass die Sender nur die Daten speichern würden,die für den Zweck des Beitragseinzugs erforderlich seien.

BR-Sprecher Christian Nitsche sagte am Dienstag, eineVerwendung der Daten für Werbung und Marktfor-schung sei grundsätzlich ausgeschlossen. ÜberflüssigeDaten würden unverzüglich gelöscht. Die Datenüber-mittlung erübrige nicht nur viele Nachfragen, sie spareauch Personal- und Verwaltungskosten.

Um die Umstellung auf den neuen Rundfunkbeitragzu Beginn des Jahres zu erleichtern, hatten die Land-tage einen einmaligen Meldedatenabgleich beschlossen.Diese Datenübermittlung soll helfen, möglichst alleBeitragszahler zu erfassen. dir

Presseplätze für NSU-Prozesswerden durch Los vergebenVier Plätze für türkischsprachige Medien -Auslosung erfolgt am 29. April

München (epd). Die Plätze für Medienvertreter beimbevorstehenden NSU-Prozess werden nach einemLosverfahren vergeben. Das teilte das Oberlandes-gericht München am 19. April mit. Dabei sind vierPlätze für auf Türkisch publizierende Medien reser-viert. Ein Platz ist für griechischsprachige Medien,ein weiterer für Medien in persischer Sprache vor-gesehen. Vom 19. April (12 Uhr) bis zum 23. April(24 Uhr) konnten sich Medien für das Losverfahrenanmelden. Die Auslosung erfolgt am 29. April durcheinen Notar.

Der Redakteur der türkischen Tageszeitung „Zaman“,Bayram Aydin, bezeichnete das Losverfahren auf epd-Anfrage als „beste Lösung“. Die Verantwortlichen imOberlandesgericht hätten die richtige Entscheidunggetroffen. Die vier reservierten Sitzplätze für türkischeMedien hält Aydin für ausreichend, da es in Deutschlandvier große türkische Tageszeitungen gebe. Sollte der

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Bedarf unter den türkischen Medien dennoch größersein, könne man über eine Pool-Bildung nachdenken.

Nach der ursprünglichen Entscheidung des Gerichts,nach der die Sitzplätze streng nach Eingang der An-meldungen vergeben wurden, hatten türkische Medienkeine garantierten Sitzplätze bekommen. Das Bundesver-fassungsgericht hatte in der vergangenen Woche jedochentschieden, dass ausländische Medien mit besonderemBezug zu den Opfern der NSU-Taten eine angemesseneZahl von Sitzplätzen erhalten müssen (epd 16/13). Achtder zehn NSU-Mordopfer waren türkischstämmig, einesgriechischstämmig.

Insgesamt bleibt es bei der Zahl von 50 Presseplätzen,wie das Oberlandesgericht mitteilte. Diese sind indrei Obergruppen eingeteilt: Fünf Plätze entfallen aufin- und ausländische Nachrichtenagenturen, zehn aufdeutschsprachige Medien mit Sitz im Ausland undfremdsprachige Medien sowie 35 auf deutschsprachigeMedien im Inland. Innerhalb dieser Gruppen sind einigePlätze für Untergruppen - beispielsweise in der zweitenGruppe für türkischsprachige Medien - reserviert. JedesMedium kann sich mit beliebig vielen Vertretern amAkkreditierungsverfahren beteiligen, ein Medium nimmtaber immer nur mit einem Los teil.

Von den 35 Plätzen für die deutschsprachigen Medienim Inland gehen jeweils zwei Plätze an das öffentlich-rechtliche und das private Fernsehen, jeweils dreiPlätze an den öffentlich-rechtlichen und den privatenRundfunk, acht an Tageszeitungen und vier an Wochen-zeitungen. Beim Losverfahren werden zunächst aus demUnterloskorb so viele Lose gezogen, wie gesetzte Plätzevorhanden sind. Die nicht gezogenen Lose kommen inden allgemeinen Gruppenloskorb, anschließend wer-den die noch in der Untergruppe vorhandenen Plätzevergeben.

Der Deutsche Journalisten-Verband bezeichnete dasneue Akkreditierungsverfahren als „nur zweitbeste Lö-sung“. Zwar werde mit der Reservierung von Platz-kontingenten für bestimmte Mediengattungen demgroßen Interesse Rechnung getragen. Es sei aber kri-tikwürdig, dass somit freie Journalisten „vollständigvom NSU-Prozess ausgeschlossen“ seien, sagte derDJV-Bundesvorsitzende Michael Konken.

Der Prozess gegen die mutmaßliche NSU-TerroristinBeate Zschäpe beginnt am 6. Mai. Ursprünglich war der17. April als Starttermin vorgesehen. Das Gericht hatteden Prozess nach der Entscheidung des Verfassungsge-richts jedoch verschoben. rid/lbm

DuMont Redaktionsgemeinschaftliefert weiter Texte an die FRStellenabbau bei „Berliner Zeitung“ imZusammenhang mit FR-Insolvenz

Berlin/Frankfurt a.M. (epd). Die „Frankfurter Rund-schau“ (FR) wird auch künftig Texte von der Du-Mont Redaktionsgemeinschaft beziehen, die bei der„Berliner Zeitung“ angesiedelt ist. Die gemeinsameMantelproduktion von FR und „Berliner Zeitung“ende jedoch wie geplant am 31. Mai, teilte derKölner Verlag M. DuMont Schauberg am 24. Aprilmit. DuMont besitzt die Mehrheit an der „BerlinerZeitung“ und kontrollierte bis Ende Februar auchdie FR.

Die neue Vereinbarung trete am 1. Juni in Kraft, hießes. Die Redaktionsgemeinschaft beliefert als Tochter-firma die überregionalen Ressorts der Abo-Zeitungendes DuMont-Konzerns. Die FR, die im November In-solvenz angemeldet hatte und zum 1. März von derVerlagsgruppe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“übernommen wurde, werde künftig nicht mehr Gesell-schafter der Redaktionsgemeinschaft sein, sagte einDuMont-Sprecher dem epd. Stattdessen werde die FReinzelne Texte kaufen, vor allem aus den BereichenPolitik, Wirtschaft, Feuilleton und Reportage.

Trotz dieser Vereinbarung bleibt es beim Abbau von Stel-len in der Redaktionsgemeinschaft. Bereits im Novemberhatte DuMont angekündigt, infolge der FR-Insolvenzbei der „Berliner Zeitung“ und in der Redaktionsgemein-schaft insgesamt 46 Stellen zu streichen (epd 49/12).Diese Zahl sei weiterhin aktuell, sagte der Sprecher.Die Zahl von 46 beinhalte aber nicht nur Redakteure,sondern auch Layouter und Sekretärinnen. Zum Standeines möglicherweise bereits teilweise vollzogenenStellenabbaus wollte sich der Konzern nicht äußern.

Der „Spiegel“ hatte am 22. April berichtet, Ressortleiterund leitende Redakteure sollten vom Stellenabbau beider „Berliner Zeitung“ ausgenommen bleiben. Chef-redakteurin Brigitte Fehrle sagte dem Magazin: „Wirwollen so sparen, dass für den Leser kein Qualitätsverlustentsteht.“ Laut „Spiegel“ haben bereits zehn Mitarbeitereiner Abfindung zugestimmt.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und ihr Schwes-terverlag Frankfurter Societät hatten nur 28 der zuvor450 FR-Beschäftigten übernommen (epd 9, 10/13). Dieswaren zu einem Großteil Redakteure für die lokale undregionale Berichterstattung. Ein neues überregionalesKonzept für die FR müsse noch erarbeitet werden, hießes Ende Februar. rid/lob

n INLAND n 1326.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

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Transfergesellschaft für Mitarbeiterder Westfälischen RundschauQualifizierungs- und Coaching-Angebote -WAZ-Konzern stellt 250.000 Euro bereit

Dortmund/Essen (epd). Für die 120 gekündigten Re-dakteure der „Westfälischen Rundschau“ soll es nuneine Transfergesellschaft geben, für deren Einrich-tung der Arbeitgeber 250.000 Euro bereitstellt.Darauf hätten sich Betriebsrat und Geschäftsleitunggeeinigt, bestätigte der Unternehmenssprecher desWAZ-Konzerns in Essen dem epd. Die ehemaligenBeschäftigten könnten die Angebote der Transfer-gesellschaft im Anschluss an ihre jeweilige Kündi-gungsfrist für sechs Monate wahrnehmen.

Darüber hinaus soll es Qualifizierungs- und Coaching-Angebote einer Transferagentur geben. Ab Anfang Maikönnten die ehemaligen Redakteure die ersten Ange-bote nutzen, berichtet das Internet-Blog „MedienmoralNRW“. Über die konkreten finanziellen und rechtlichenRahmenbedingungen würden die Mitarbeiter bei einerBetriebsversammlung am Mittwoch informiert.

Der WAZ-Konzern, der sich in Funke Mediengruppeumbenannt hat, hatte zum 1. Februar die Redaktion derin Dortmund erscheinenden „Westfälischen Rundschau“geschlossen, die Zeitung erscheint aber weiter. DerMantelteil wird vom Content-Desk der WAZ zugelie-fert, der Lokalteil von anderen WAZ-Zeitungen oderKonkurrenten zugekauft.

Transfergesellschaften haben die Aufgabe, von Arbeits-losigkeit bedrohte Mitarbeiter eines Betriebes in einermaximal zwölfmonatigen Beschäftigung zu betreuen,um sie in neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermit-teln. In dieser Zeit erhalten die Mitarbeiter über dieBundesagentur für Arbeit ein sogenanntes Transferkurz-arbeitergeld, das häufig vom entlassenden Unternehmenaufgestockt wird.

Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der Transferge-sellschaft ist Aushandlungssache von Betriebsrat undUnternehmensleitung. Der Wechsel in eine Transfer-gesellschaft ist für die von Arbeitslosigkeit bedrohtenBeschäftigten freiwillig. lwd

n INLAND n14 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

Studie: Rundfunkräte wichtig fürGlaubwürdigkeit von ARD und ZDFEinfluss der Parteien inden Gremien verringern

Frankfurt a.M. (epd). Die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Sender sind wichtig für die Glaubwür-digkeit und die Sicherung der Qualität der Pro-gramme von ARD und ZDF. Zu diesem Schluss kommteine dem epd vorliegende Studie, die der Medien-kritiker Fritz Wolf im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung erstellt hat (vgl. Leitartikel in dieser Aus-gabe). In der am 22. April veröffentlichten Studiefordert der Publizist, den Einfluss der Parteien in denGremien zu verringern: „Parteien dürfen die Gremiennicht dominieren - weder offen noch verdeckt.“

Als wichtige Aufgabe der Gremien bezeichnet Wolf dieQualitätssicherung durch Programmkontrolle. Rundfunk-und Fernsehräte dürften sich nicht in die Programmge-staltung einmischen, schreibt er. Sie hätten jedoch „aufdie Entwicklung und Qualitätssicherung des Gesamt-programms zu achten und darauf, dass die öffentlich-rechtlichen Qualitätsversprechen eingehalten werden“.

Wolf fordert die Gremien auf, die Öffentlichkeit zusuchen. Rundfunkräte sollten im Regelfall öffentlichtagen, empfiehlt er. Die Öffentlichkeit brauche Einblickin die Tätigkeit der Gremien, und Rundfunkräte solltendiese auch über die Gremienarbeit hinaus suchen.Dadurch könnten sie dazu beitragen, medienpolitischeThemen in der Gesellschaft zu diskutieren.

Die Arbeit der ehrenamtlich tätigen Rundfunkräte müsseprofessionalisiert werden, „ohne dass dadurch die Ideedes Ehrenamts und der gesellschaftlichen Repräsentanzunterlaufen wird“, schreibt Wolf. Er fordert, dass dieOrganisationen, die Vertreter in die Rundfunkräte ent-senden, die Gremienarbeit ernster nehmen als bisher:„Ein Sitz in einem Rundfunkgremium ist eine gesell-schaftspolitisch relevante Aufgabe.“ Die Rundfunkrätesollten „sich nicht als geschmeidige Co-Manager einerRundfunkanstalt, sondern als selbstbewusste Kontrol-leure verstehen“, fordert Wolf. Die Sender wiederummüssten ihre Gremien ernster nehmen und besserefinanzielle und organisatorische Rahmenbedingungenschaffen.

Der Publizist fordert eine andere Zusammensetzungder Gremien. Derzeit seien wichtige gesellschaftlicheStrömungen nicht ausreichend repräsentiert, schreibter. Organisationen der Zivilgesellschaft müssten stärkereingebunden und Zuschauerinteressen stärker berück-sichtigt werden.

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n INLAND n 1526.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto-Brenner-Stiftung, sagte, die demokratische Kontrolle durchfunktionierende Gremien könne für die Sender „soetwas wie eine Lebensversicherung sein“. Dazu seiallerdings ein Mentalitätswandel notwendig: in denGremien selbst, bei den Sendern und bei der Politik. DieStudie mit dem Titel „Im öffentlichen Auftrag. Selbst-verständnis der Rundfunkgremien, politische Praxis undReformvorschläge“ ist über die Otto-Brenner-Stiftungzu beziehen und kann im Internet heruntergeladenwerden (thttp://www.otto-brenner-shop.de/uploads/tx_mplightshop/AH73_Rundfunk_web.pdf).

Die medienpolitische Sprecherin der Grünen, TabeaRößner, unterstützte die Forderungen der Studie. Alserster wichtiger Schritt müsse der nach Meinung derGrünen verfassungswidrige Einfluss des Staates aus denAufsichtsgremien des ZDF zurückgedrängt werden, sagtesie. Die Politikerin erinnerte daran, dass in Karlsruhe eineKlage der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hamburggegen den ZDF-Staatsvertrag anhängig ist. Sie hoffe sehr,dass das Bundesverfassungsgericht in Kürze entscheide,sagte sie. Zugleich forderte sie, die Aufsicht überden öffentlich-rechtlichen Rundfunk müsse künftig„staatsferner, transparenter, jünger und weiblicher“ausgestaltet werden. dir

Tageszeitungen verlierenvier Prozent an Auflage„Bild“ unter 2,5 Millionen Exemplaren -„Stern“ durch Relaunch leicht im Plus

Berlin (epd). Die deutschen Tageszeitungen habenim ersten Quartal 2013 rund vier Prozent weni-ger Ausgaben verkauft als im Vorjahresquartal. Soverkauften die Zeitungen einschließlich der Sonn-tagsausgaben und aktuellen Sonntagszeitungen proErscheinungstag 20,50 Millionen Exemplare, wie dieInformationsgemeinschaft zur Feststellung der Ver-breitung von Werbeträgern (IVW) am 22. April inBerlin mitteilte. Bereinigt fällt der Rückgang nochhöher aus, da in den aktuellen Zahlen auch ePaper-Verkäufe enthalten sind, in den Vergleichszahlen desVorjahrs jedoch nicht.

Die verkaufte Auflage der „Frankfurter Rundschau“(FR) brach um mehr als ein Viertel (27,4 Prozent)ein und lag im ersten Quartal bei 87.136 verkauftenExemplaren. Im ersten Quartal 2012 waren es noch120.094 verkaufte Zeitungen pro Tag. Der FR-Verlaghatte im Oktober 2012 Insolvenz angemeldet, seitdemerscheint das Traditionsblatt in einer neuen Gesellschaft,die zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) und

dem Schwesternverlag Frankfurter Societät gehört. Dieneuen Besitzer hatten angekündigt, bei der FR künftignur noch die harte Auflage aus Abos und Einzelverkaufauszuweisen.

Der größte Verlierer in absoluten Zahlen ist die „Bild“-Zeitung. Von Montag bis Samstag verkaufte sich dasBoulevardblatt durchschnittlich 2,46 Millionen Mal. Dasbedeutet einen Verlust von 8,1 Prozent und 215.673verkauften Exemplaren im Vergleich zum Vorjahresquar-tal.

Die ebenfalls im Verlag Axel Springer erscheinende„Welt“ verlor 8,37 Prozent der verkauften Auflage undliegt nun bei 229.137 verkauften Exemplaren vonMontag bis Freitag. Allerdings weist der Verlag dieAuflage nur gemeinsam mit dem Schwesterblatt „WeltKompakt“ aus.

Die FAZ verlor 4,7 Prozent der verkauften Auflageund liegt nun bei durchschnittlich 338.478 verkauftenExemplaren. Die „Süddeutsche Zeitung“ verkaufte imSchnitt 420.377 Zeitungen pro Tag und verlor damit 2,6Prozent an verkaufter Auflage.

Bei den Sonntagszeitungen gingen die Verkäufe von„Bild am Sonntag“ um acht Prozent auf 1,31 MillionenExemplare pro Sonntag zurück. „Welt am Sonntag“(402.708 Exemplare) und „Frankfurter Allgemeine Sonn-tagszeitung“ (347.249 Exemplare) büßten leicht um 0,6Prozent beziehungsweise 1,3 Prozent an Auflage ein.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ konnte mit einem Plus von2,7 Prozent bei den Verkäufen leicht hinzugewinnen,allerdings sind auch in dieser Zahl - anders als imVorjahresquartal - die ePaper-Verkäufe enthalten. Dieverkaufte Auflage lag im ersten Quartal 2013 bei519.573 Exemplaren. Rechnet man die ePaper-Verkäufeheraus, hat sich die Auflage kaum verändert.

„Der Spiegel“ verlor 5,4 Prozent verkaufter Auflage undliegt nun bei 883.310 Exemplaren. Mit Verlusten von1,8 Prozent kam der „Focus“ auf 531.724 verkaufteMagazine pro Woche. Der „Stern“ konnte mit einem Plusvon 0,7 Prozent durchschnittlich 831.857 Exemplareverkaufen. Allerdings ist in den Zahlen auch die vergüns-tigte Ausgabe zum Relaunch des Magazins enthalten,die sich im Einzelhandel drei Mal häufiger verkaufte alsandere Ausgaben.

Die Publikumszeitschriften büßten insgesamt rund 2,46Prozent der verkauften Auflage im Vergleich zum Vorjah-resquartal ein. So wurden im ersten Quartal insgesamtdurchschnittlich 107,9 Millionen Zeitschriften pro Aus-gabe verkauft. Bei den Fachzeitschriften blieben dieVerkäufe annähernd stabil. So wurden im 12,02 Millio-

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n INLAND n16 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

nen Exemplare im ersten Quartal 2013 abgesetzt, waseinem leichten Rückgang von 0,35 Prozent gegenüberdem Vorjahresquartal bedeutet. hse

Vergütungsregeln für freieZeitungsfotografen vereinbartAb 1. Mai gelten Mindesthonorare - Kritikvon Berufsverbänden Freelens und VDS

Berlin (epd). Die mehrjährigen Verhandlungen überVergütungsregeln für Zeitungsfotografen sind zuEnde. Wie der Deutsche Journalisten-Verband (DJV)am 22. April mitteilte, hat der DJV-Gesamtvorstandentschieden, gegen das Anfang Februar erreichteSchlichtungsergebnis keinen Widerspruch einzu-legen. Auch die Tarifkommission der DeutschenJournalisten-Union in ver.di (dju) habe sich zuvorso entschieden, hieß es. Kritik an der Entscheidungkommt von Fotografen-Verbänden.

Die neuen Vergütungsregeln, an deren Aushandlunginsgesamt 89 Verlage des Bundesverbandes DeutscherZeitungsverleger (BDZV) beteiligt waren, treten laut DJVsomit am 1. Mai in Kraft und sehen Mindesthonorare fürFotos in Zeitungen vor. Sie betreffen alle hauptberuflichfreien Fotojournalisten. Beim Erstdruckrecht darf dasHonorar nicht 19,50 Euro je Foto unterschreiten, fürdas Zweitdruckrecht müssen Verlage den Fotografenmindestens 14,50 Euro zahlen.

Die Höhe des Honorars richtet sich nach der Größe desabgedruckten Fotos sowie der Auflage der Zeitung, in deres erscheint. Für ein vierspaltig erstmalig abgedrucktesFoto in einer Auflage von 200.000 Exemplaren sehendie Vergütungsregeln beispielsweise ein Honorar vonmindestens 75,50 Euro vor. Laut einer Mitteilung derdju vom 7. Februar ist auch die einmalige Nutzung derFotos in einem aktuellen Online-Auftritt der jeweiligenPublikation eingeschlossen. Die Honorare für Fotos,für die eine Zeitung das Alleinrecht erwirbt, müssendemnach „angemessen“ über den gestaffelten Sätzenliegen.

„Wir sehen in den Vergütungsregeln ein Instrumentzur Eindämmung des Honorardumpings auf dem Bil-dermarkt“, sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konkenam 22. April. Der stellvertretende dju-Vorsitzende FrankWerneke sagte: „Nun müssen die Zeitungsverleger dieFotohonorare in vielen Fällen nach oben anpassen. Wirerwarten, dass dies in den Verlagen auch entsprechenderfolgt.“

Der Fotografen-Verein Freelens und der Verband Deut-scher Sportjournalisten (VDS) kritisierten den Schlich-terspruch. Lediglich 89 der mehr als 300 im BDZVvertretenen Verlage hätten an den Verhandlungenteilgenommen, teilten die Verbände am 18. April ge-meinsam mit. Zu bemängeln sei auch, dass Fotografen-verbände nicht einbezogen worden seien. „Die neuenVergütungsregeln manifestieren einen über viele Jahrefortdauernden Preisverfall“, hieß es in der Mitteilung.Es fehlten Regelungen für die Bezahlung nach Zeitein-heiten. Zudem sei fraglich, ob sich die Verleger an dieVereinbarungen halten würden. Bereits bei den im Jahr2010 vereinbarten Vergütungsregeln für freiberuflicheTageszeitungsjournalisten sei dies vielfach nicht der Fall(epd 1, 81/10).

Zörner: Mehr war nicht zu erzielen

DJV-Sprecher Hendrik Zörner sagte dem epd, von den 89Verlagen hätten 86 dem Schlichterspruch zugestimmt.Man gehe daher davon aus, dass die neuen Regeln dortauch angewandt würden. „Bei den Vergütungsregelnhandelt es sich um einen Kompromiss, der erst durcheinen Schlichterspruch zustande kam. Mehr war mitden Verlagen nicht zu erzielen“, sagte Zörner.

Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der dju, erklärteam 23. April zu der Kritik der Verbände: „Bei Vergü-tungsregeln kommt es nicht auf die Zahl der Beteiligtenauf der Verwerterseite an.“ Die Verlage, die dem BDZVfür das Schlichtungsverfahren Vollmacht erteilt hatten,stellten einen „repräsentativen Querschnitt und eineBandbreite unterschiedlichster Zeitungsverlage dar“.Eine Bezahlung von Zeiteinheiten könne laut Urhe-berrecht nicht mit Vergütungsregeln zur Nutzung vonWerken geregelt werden, so Haß. Von den Regeln seienlediglich Abbildungen in Tageszeitungen und derenparallele Online-Publikation betroffen, deshalb könneman die Multimedia-Nutzung nicht einbeziehen. „Stattdies zu kritisieren, könnten Freelens und VDS jederzeitdie Initiative dazu ergreifen, werden sich aber wohl -wie schon in der Vergangenheit - die Mühe und dieKosten nicht antun wollen“, kritisierte Haß.

Unterdessen appellierte der DJV erneut an die Zeitungs-verleger, beim Abdruck von Fotos auf die Nennungder Fotografennamen zu achten. In der diesjährigenStichproben-Auswertung von Tageszeitungen belege die„Berliner Zeitung“ mit 81 Prozent richtigen Nennungenden ersten Platz, teilte der Verband mit. Allerdingswiesen nur 28 von insgesamt 117 Publikationen amStichtag mehr als 50 Prozent korrekte Namensnennun-gen auf, wie aus einer Auflistung von untersuchtenMedien hervorgeht. Kriterium war laut DJV die Nen-nung mindestens des Nachnamens an der Abbildung.Bereits im vergangenen Jahr hatte die Auswertung zum

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wiederholten Mal deutliche Mängel beim Umgang derZeitungen mit Fotografennamen belegt (epd 39/12).

nog

Bremer Tageszeitungen wollen einDrittel des Personals abbauenVerlag spricht von 55 Stellen -Laut Betriebsrat fallen 110 Stellen weg

Bremen (epd). Die Bremer Tageszeitungen stehen voreinem großen Personalabbau. Beim „Weser-Kurier“und den „Bremer Nachrichten“ sollen rund 110 Ar-beitsplätze abgebaut werden, sagte Carsten Spöringvom Betriebsrat der Bremer Tageszeitungen AG am24. April dem epd. Insgesamt solle die Belegschaftum ein Drittel schrumpfen. Die Bremer Tageszeitun-gen AG erklärte, es seien 55 Mitarbeiter betroffen,für die nun gemeinsam mit dem Betriebsrat einSozialplan erstellt werden soll.

Der Vorstand der AG habe die Belegschaft am 23.April informiert, dass zwei Teilbereiche des Verlags zumJahresende geschlossen werden sollen. „Aufgrund derBeschleunigung der Umsatzrückgänge im überregio-nalen Anzeigenmarkt in den letzten Monaten“ seienumfassende Restrukturierungsmaßnahmen unumgäng-lich, erklärte der Verlag. Für Nachfragen war der Verlagnicht zu erreichen.

Betroffen sind laut Betriebsrat vor allem Mitarbeitendeim Kundenservice und in der Druckvorstufe. Außerdemsollen etwa 20 der derzeit noch knapp 100 Redakteureüber freiwillige Vereinbarungen ausscheiden. Der Deut-sche Journalisten-Verband (DJV) kritisierte die Pläne.

Bereits zum 30. April wird die Bremer Tageszeitun-gen AG die Berichterstattung der Regionalausgaben„Achimer Kurier“ und „Verdener Nachrichten“ an denexternen Dienstleister Pressedienst Nord GmbH (PDN)vergeben, sagte Betriebsrat Spöring. Die derzeit noch inAchim und Verden tätigen Redakteure sollen auf andereRedaktionen verteilt werden.

Zuvor waren schon die Regionalredaktionen des „Del-menhorster Kuriers“, der „Regionalen Rundschau“ inBremen-Brinkum und des „Syker Kuriers“ an PDN verge-ben worden. Der Dienstleister bezahlt seine Redakteureweit unter dem gültigen Tarifvertrag für Tageszeitungen.

lnb/hse

n INLAND n 1726.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

Studie: Deutsche Journalistenkritisieren sich selten gegenseitigAuch Lob kommt zu kurz - Däubler-Gmelinfür Öffnung der Selbstkontrollorgane

Berlin (epd). In deutschen Redaktionen ist Kollegen-kritik selten. Zu diesem Ergebnis kommt eine am 18.April in Berlin vorgestellte Studie des Erich-Brost-Instituts für internationalen Journalismus an derTechnischen Universität Dortmund (vgl. auch Leitar-tikel in epd 16/13). Nur acht Prozent der deutschenJournalisten gaben bei einer Online-Umfrage an,häufig Kollegen zu kritisieren. Mehr als die Hälftebekommt selbst nur selten Kritik. Deutschland istdamit Schlusslicht im internationalen Vergleich. Sokritisieren mehr als 70 Prozent der Schweizer Jour-nalisten häufig Kollegen, in den Niederlanden knappdie Hälfte der Medienmacher.

Auch Lob kommt der Studie zufolge in deutschen Re-daktionen zu kurz. Für die Untersuchung wurden 1.762Journalisten aller Medienbereiche aus zwölf europäi-schen und zwei arabischen Ländern befragt, darunter239 deutsche Journalisten. Dabei wurde auch erho-ben, wie Medienmacher die Organe zur Selbstkontrolleder Medien sehen. Die Aussage, ohne verantwortli-ches Handeln der Journalisten gebe es keine Presse-freiheit, erhielt bei der Befragung hohe Zustimmung.Den Selbstkontroll-Instrumenten wie beispielweise demdeutschen Presserat als Wächter über die Einhaltungethischer Prinzipien messen die Befragten aber keinengroßen Einfluss zu.

Die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) mahnte bei einer Diskussion über dieStudienergebnisse in der Evangelischen Journalisten-schule in Berlin eine Öffnung der Selbstkontrollorganean, was die personelle Zusammensetzung und das Auf-gabenspektrum angeht. Bei der Selbstkontrolle müssebeispielweise auch die Frage nach Arbeitsbedingungenvon Journalisten stärker berücksichtigt werden, fordertedie Politikerin, die der von der EU-Kommission einge-setzten sogenannten High-Level-Group angehört, beider Fragen zur Pressefreiheit und zum Pluralismus derMedien erörtert wurden (vgl. weiteren Leitartikel in epd16/13).

„Wir dürfen nicht unterschätzen, welche Abhängig-keiten es in Medienhäusern heute gibt“, sagte sie. Eswürden immer mehr freie oder feste freie Journalisteneingesetzt, die sich aus Angst vor dem Arbeitsverlustnicht trauten, Probleme offen anzusprechen. Es müssethematisiert werden, dass darin eine Gefahr für den Qua-litätsjournalismus und seine demokratische Funktionliege, sagte Däubler-Gmelin. Organe wie der Presserat

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sollten daher auch Personen aus Berufsgruppen abseitsdes Journalismus in ihren Beschlussgremien haben.Der deutsche Presserat wird von den Verleger- undJournalistenverbänden getragen.

Der Geschäftsführer des Presserats, Lutz Tillmanns,zeigte sich dem Vorschlag gegenüber offen. Wichtigsei aber, dass die Selbstkontrolle nicht in staatlicheVerantwortung übergehe, sagte er.

Der Medienjournalist und „Bildblog“-Gründer StefanNiggemeier forderte von den Journalisten mehr Mut,sich auf geeigneten Plattformen im Netz der Kritik vonLesern zu stellen. Er hoffe, dass sich die Kritikkulturbei deutschen Journalisten ändere. Für denjenigen, dertäglich Politiker und andere Akteure kritisiere, solltedies selbstverständlich sein, sagte Niggemeier. co

Katholische „Funkkorrespondenz“erscheint weiterRBB-Intendantin Reim begrüßt Entscheidungder Bischofskonferenz

Bonn (epd). Die katholische Medienfachzeitschrift„Funkkorrespondenz“ wird nicht eingestellt. Dashabe der Ständige Rat der katholischen DeutschenBischofskonferenz am 22. April in Würzburg be-schlossen, sagte ein Sprecher der Bischofskonferenzam 23. April dem epd.

Ende Februar war bekanntgeworden, dass die Bischöfeeine Einstellung des seit 60 Jahren bestehenden Medien-fachdienstes zur Jahresmitte prüfen wollten (epd 9/13).Das hatte zu heftigen Protesten geführt. Vertreter ausPolitik und Publizistik hatten die Bischöfe aufgefordert,die „Funkkorrespondenz“ zu erhalten. Sie zähle zu den„renommiertesten und traditionsreichsten Fachblätternder deutschen Medienpublizistik“, hieß es in einemAufruf, den unter anderem der Grünen-Vorsitzende CemÖzdemir, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse(SPD) und ARD-Programmdirektor Volker Herres unter-schrieben hatten.

In der Redaktion der „Funkkorrespondenz“, die im wö-chentlichen Rhythmus erscheint, sind derzeit drei Mit-arbeiter beschäftigt. Die Fachpublikation, deren Auflagebei 800 Exemplaren liegt, war 2003 der Verlagsgruppedes „Rheinischen Merkurs“ angegliedert worden. Nachder Einstellung des „Rheinischen Merkurs“ im Jahr 2010ging sie an die dreipunktdrei Mediengesellschaft über,eine Tochter der Katholischen Nachrichten-Agentur(KNA).

RBB-Intendantin Dagmar Reim begrüßte die Entschei-dung der Bischöfe. Die „Funkkorrespondenz“ sei „einwichtiges Medium für die kritische Begleitung unsererZunft“, sagte sie. Beharrlichkeit, sachliche Rechercheund journalistische Neugier zeichneten die Publikationaus. Es sei gut, ihre Existenz gesichert zu wissen. dir

HR erwirkt Verfügung gegenAmazon-DienstleisterZeuge nicht „frei erfunden“ -Streit über Doku „Ausgeliefert!“

Frankfurt a.M./Köln (epd). Im Streit über dieARD-Dokumentation „Ausgeliefert! Leiharbeiter beiAmazon“ hat der HR vor dem Landgericht Köln eineeinstweilige Verfügung gegen eine Presseerklärungder Kölner Anwaltskanzlei Höcker erwirkt. Die Kanz-lei habe auf eine angeblich „fingierte E-Mail“ einer„frei erfundenen“ Zeugin verwiesen und mehrfachbehauptet, die Rechtsabteilung des HR habe „eineManipulation freiwillig eingeräumt“, teilte der HRam 19. April mit. Dabei sei nicht darauf hingewiesenworden, dass der HR lediglich die wahre Identitäteines existierenden Zeugen unkenntlich gemachthabe.

Die Kanzlei Höcker vertritt die Leipziger Firma CoCo JobTouristik, die im Auftrag von Amazon den Transport unddie Unterbringung der Leiharbeiter organisiert hatte.Nach Angaben des HR haben die Kanzlei und die Firmaerklärt, sie akzeptierten die einstweilige Verfügung undwürden die beanstandeten Aussagen so nicht mehrverbreiten.

Die CoCo Job Touristik wurde in dem ARD-Beitrag mitdeutlichen Worten kritisiert. Die Anwälte stießen sichvor allem an der Formulierung „Die Menschen werden(...) abgefüttert wie die Schweine“, die der HR aus derE-Mail des Zeugen zitiert hatte, und erwirkten dagegeneine einstweilige Verfügung beim Landgericht Hamburg.Gegen diese Entscheidung habe der HR Widersprucheingelegt und eine mündliche Verhandlung beantragt,teilte der Sender mit.

Der Beitrag „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“lief am 13. Februar im Ersten. Am 9. April hatte derHR in Reaktion auf kritische Stimmen eingeräumt, eswäre „sicherlich ratsam gewesen, auf die Verwendungeines geänderten Namens in dem Film ausdrücklichhinzuweisen“. Der HR stehe aber inhaltlich nach wievor voll hinter der Dokumentation, hieß es. Der AnwaltRalf Höcker hatte in dem Beitrag „Schmähkritik“ und„Demagogie“ gesehen. rid

n INLAND n18 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

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n INLAND n 1926.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

Initiative „Open ARD ZDF“will Transparenz schaffenLangfristig angelegtes Projekt -Bislang rund 40 Teilnehmer

Berlin (epd). Eine Initiative will die Finanzen undStrukturen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkan-stalten transparenter machen. Die Arbeitsgruppemit dem Titel „Open ARD ZDF“ soll Zahlen und Vor-gänge bei den Sendern möglichst aktuell und fürjeden zugänglich aufbereiten, sagte der Journalistund Initiator Lorenz Matzat am 17. April in Berlin.Das Projekt sei langfristig angelegt und werde „si-cherlich einige Jahre brauchen, um zum Erfolg zukommen“.

Neben ARD und ZDF würden auch das Deutschlandradiound die Deutsche Welle, die nicht durch Rundfunk-gebühren finanziert wird, einbezogen. Matzat sagtedem epd, es gehe bei dem Projekt nicht darum, dasPrinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks infrage zustellen. Vielmehr sollten Ausgaben und die Struktur desgesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunks verständ-lich dargestellt werden. „Open ARD ZDF“ diene dabeials Knotenpunkt zum Informationsaustausch. Bislanghätten sich rund 40 Teilnehmer gemeldet, von deneneinige bereits länger und intensiv an diesem Themaarbeiteten, sagte Matzat. Bei der kommenden Netzkon-ferenz Republica Anfang Mai in Berlin solle es ein erstesTreffen für die Mitarbeiter von „Open ARD ZDF“ geben.

Der ARD-Vorsitzende und NDR-Intendant Lutz Marmorsagte im RBB, die Anstalten stünden der Forderungnach mehr Transparenz grundsätzlich offen gegenüber.Die Kritik der Initiative sei berechtigt, denn nur Insiderverstünden das bisher vorhandene Informationsmaterialwie etwa den KEF-Bericht. Die ARD habe einen Auftragerteilt, um im Sommer „im Netz entsprechende Da-ten“ aufzubereiten, sagte Marmor. ARD-Sprecherin IlkaSteinhausen sagte dem epd, es handele sich dabei umÜberlegungen, wie die bestehenden Informationen dereinzelnen ARD-Anstalten auf einer zentralen Plattformzusammengeführt werden könnten. Welche Informatio-nen darüber hinaus für die Allgemeinheit zur Verfügunggestellt würden, müsse noch geklärt werden.

Auch beim ZDF stelle man sich der Kritik von „Open ARDZDF“ und baue das Informationsangebot zu dem MainzerSender weiter aus, sagte Sprecher Peter Gruhne. Bereitsseit Anfang März fänden Interessierte im Onlineangebotdes ZDF deutlich mehr Informationen über Organisationund Finanzen, etwa die Gehälter der Geschäftsleitung.Zudem seien die Haushaltslesungen des ZDF-Fernsehratsöffentlich. Nach jeder Sitzung des Fernsehrats stündendessen Vorsitzender und der Intendant den Medien

für Fragen zur Verfügung. Es gebe aber auch Grenzender Transparenz, etwa beim Datenschutz oder beimPersönlichkeitsrecht, sagte Gruhne. meu

Enquete-Kommission: Netzpolitikim Bundestag angekommenDebatte über Abschlussbericht -Jimmy Schulz: Zukunftsmodell

Berlin (epd). Nach drei Jahren Arbeit hat die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ am18. April im Bundestag ihren Abschlussbericht vor-gestellt. Fraktionsübergreifend betonten die Gremi-umsmitglieder, dass die Netzpolitik im Bundestagangekommen sei. „Ohne Internet ist eine modernefreie Gesellschaft wie unsere nicht möglich“, sagteder CDU-Obmann in der Enquete-Kommission, JensKoeppen. Nun dürften die Handlungsempfehlungendes Gremiums „nicht in einen Dornröschenschlaf“verfallen, sondern müssten umgesetzt werden.

Einig waren sich die Mitglieder vor allem bei derForderung, einen eigenständigen Ausschuss für Netzpo-litik im Parlament zu verankern. Zudem empfiehlt dieKommission, auch in der Regierung eine Person zu be-nennen, die sich federführend um das Thema kümmert.Ähnlich unstrittig sind die neuen Möglichkeiten derBürgerbeteiligung durch das Internet. Der FDP-ObmannJimmy Schulz sprach von einem Zukunftsmodell, wieDemokratie weiterentwickelt werden könne.

In Sondervoten betonten die Oppositionsparteien ihrePrioritäten für die künftige Netzpolitik. Die SPD sprachsich für eine stärkere Digitalisierung im Bildungswesenaus. „Wir brauchen einen radikalen Wandel“, sagteder netzpolitische Sprecher und Obmann der SPD-Bundestagsfraktion in der Kommission, Lars Klingbeil.Jeder Schüler müsse mit einem Laptop oder einemTablet-PC ausgestattet werden. Es dürfe nicht vonder Netzaffinität der Eltern abhängen, wie gut dieBildungschancen seien.

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz betontevor allem den hohen Einfluss der Netzpolitik im po-litischen Alltag. Das Leistungsschutzrecht oder dasActa-Abkommen seien die besten Beispiele hierfür. DieLinke stellte die Netzneutralität in den Vordergrund.„Wir brauchen einen Datenschutz, der den Namen ver-dient“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Linken,Halina Wawzyniak. Anonymität und Pseudonymitätmüsse gesichert werden.

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Die Kommission wurde im Mai 2010 eingesetzt, umüber die Auswirkungen der Digitalisierung auf Poli-tik, Wirtschaft und Gesellschaft zu diskutieren. Nachrund 200 Sitzungen wurden in mehreren Berichten aufinsgesamt knapp 2.000 Seiten über 400 Leitlinien zuThemen wie Verbraucherschutz, Persönlichkeitsrecht,Netzneutralität, Urheberrecht oder Medienkompetenzerstellt (epd 8/13). Zur Kommission gehörten 17 Abge-ordnete aller Fraktionen und eine gleiche Anzahl vonSachverständigen, darunter Vertreter aus der Wirtschaftund der Bloggerszene.

Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT)begrüßte, dass die Kommission durch die Art der Ver-fahren und die Formen der Beteiligung neue Impulsefür die parlamentarische Arbeit gesetzt habe. Der starkenetzpolitische Fokus habe aber bei einigen Projekt-gruppen „den Wert und die Bedeutung der im Netztransportierten Inhalte gegenüber Investitionen undGeschäftsmodellen in Infrastrukturen in den Hinter-grund treten lassen“, sagte VPRT-Geschäftsführer ClausGrewenig. Hier müsse die Politik bei der Umsetzung derHandlungsempfehlungen nachjustieren. tat/rid

Studie „Digital-Index“ zeigt digitaleSpaltung der GesellschaftUnterschiede zwischen Ost und West -Ein Drittel der Deutschen weiter offline

Berlin (epd). Beim technischen Zugang und der Nut-zung des Internets liegen die Ostdeutschen durch-weg hinter den Westdeutschen. Zu diesem Ergebniskommt der „Digital-Index“, den die Initiative D21und das Marktforschungsinstitut TNS Infratest am22. April in Berlin vorstellten. Deutschland kommebundesweit auf einen Digitalisierungsgrad von 51,2von 100 möglichen Punkten.

Der „Digital-Index“, der erstmals vorgestellt wurde,erfasst in einer Kennzahl vier Faktoren: den technischenZugang zum Internet (eigener Computer, Breitbandan-schluss), die persönliche Offenheit für die Möglichkeitendes Internets, Fähigkeiten im Umgang mit dem Netzund der Technik sowie die tatsächliche Nutzung. Dieswird in repräsentativem Umfragen ermittelt. Aus denErgebnissen berechnet die Initiative D21 dann einenPunktwert zwischen Null und 100.

Danach wird bundesweit der höchste Wert (54,2 Punkte)bei den technischen Voraussetzungen erreicht, derniedrigste (40,3 Punkte) bei der tatsächlichen Nutzung.

Der Index erfasst auch die regionalen Unterschiede:Nordrhein-Westfalen liegt beim Digitalisierungsgradmit 57,7 Punkten auf dem ersten Platz, vor Bremen undSchleswig-Holstein. Schlusslicht mit 40,5 Punkten istSachsen-Anhalt. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 51,2Punkten. Im Osten fällt der Index durchweg niedrigeraus.

Mit dem „Digital-Index“ soll die Internetnutzung dif-ferenzierter gemessen werden, als das bisher mit dem(N)onliner-Atlas geschieht, den die Initiative D21 seit2001 herausgibt oder mit der seit 2009 erscheinendeStudie „Digitale Gesellschaft“, die über das Verhaltender Internet-Nutzer Auskunft gibt.

So kommt etwa der Stadtstaat Hamburg im (N)onliner-Atlas 2013 auf Platz eins, weil 81,8 Prozent der Bürgerim Internet unterwegs sind. Im neuen Digital-Index liegtdie Stadt aber auf Platz 11 mit einem Index von 46,6Punkten und damit deutlich unter dem Bundesdurch-schnitt. Der Vizepräsident von D21 und Geschäftsführervon TNS-Infratest, Robert A. Wieland, erläuterte, ein ho-her Anteil von Internet-Nutzern sei nicht gleichzusetzenmit einer vielfältigen und kompetenten Internetnutzung.Der neue Index gebe eine differenziertere Auskunft.

Der Index bestätigt indes auch die bisherigen Ergebnisseüber die digitale Spaltung der Gesellschaft. Männernutzten das Internet mehr als Frauen, gebildete Be-völkerungsgruppen deutlich mehr als Menschen mitHauptschulabschluss und Jüngere stärker als Ältere.Unter den 30- bis 40-Jährigen sind nahezu zwei Drittelsehr vertraut mit dem digitalen Möglichkeiten - abernicht mal ein Drittel der über 70-Jährigen.

Eine ähnliche Spaltung gibt es auch zwischen Gut- undGeringverdienern. Die Spaltung zwischen Männern undFrauen setzt laut Studie erst ab 50 Jahren ein, beiden Jüngeren nutzen beide Geschlechter das Internetpraktisch gleich intensiv. Von den über 50-jährigenFrauen ist indes jede zweite immer noch offline.

Aus dem diesjährigen (N)onliner Atlas geht hervor,dass 76,5 Prozent oder 53,7 Millionen Bürger über14 Jahren das Internet nutzen. In den letzten beidenJahren ist die Zahl der Nutzer jeweils nur um 0,9Prozentpunkte gestiegen, während der Anstieg in denVorjahren stärker war. Die Nichtnutzer nennen mit 67,5Prozent Datenschutzbedenken als häufigsten Grundihrer Internet-Abstinenz. Weitere Gründe sind das eigenefortgeschrittene Alter oder Angst vor der Komplexitätdes Internets. bm

n INLAND n20 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

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Gericht gibt Klage von Ex-„Echo“-Chefredakteur stattRiebartsch muss weiterbeschäftigt werden -Verlag will Berufung einlegen

Darmstadt (epd). Der Verlag des „Darmstädter Echos“muss seinen im Herbst entlassenen ChefredakteurJörg Riebartsch (52) zu den bisherigen Bedingun-gen weiterbeschäftigen. Die fristlose Kündigung seiunwirksam gewesen, berichtete das „Echo“ in seinerAusgabe vom 24. April. Dies habe das Arbeitsge-richt Darmstadt am 23. April entschieden. VerlegerHans-Peter Bach kündigte an, nach Prüfung derUrteilsbegründung Berufung einzulegen.

Einen Vergleich habe das „Echo“ abgelehnt, sagte Rieb-artsch dem epd. Der Verlag hatte ihm im November2012 gekündigt (epd 45/12). Als Grund hatte das „Darm-städter Echo“ damals unterschiedliche Auffassungenüber die zukünftige Ausrichtung der Redaktion genannt.

Neue Stellvertreter benannt

Seine Stelle hat der Verlag inzwischen anderweitigbesetzt. Seit Januar dieses Jahres führt Riebartschs ehe-maliger Stellvertreter Michael Horn (49) die Redaktion.Horn solle ab 1. Mai von den Stellvertretern Ilka Ennen(43) und Alexander Schneider (41) unterstützt werden,teilte der Verlag mit.

Die ehemalige Unternehmensberaterin Ennen habebereits seit drei Jahren als Projektredakteurin in derChefredaktion gearbeitet und sei im Juli 2011 zurProkuristin der „Echo Redaktionsservice GmbH“ ernanntworden. Der Jurist Schneider sei seit Oktober 2009redaktioneller Leiter des Internetportals „Echo Online“und seit Dezember 2012 Prokurist der Echo OnlineGmbH gewesen.

Zu den Echo-Zeitungen gehören auch das RüsselsheimerEcho, das Groß-Gerauer Echo, das Odenwälder Echo, dasStarkenburger Echo und das Ried Echo. Die verkaufteAuflage aller Echo-Zeitungen beträgt rund 80.000Exemplare. lmw

n INLAND n 2126.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

Peter Zschunke wirdChef vom Dienst beim epd„Renommierter Agenturprofi“ -Peter Bosse-Brekenfeld geht in den Ruhestand

Frankfurt a.M. (epd). Der Agenturjournalist PeterZschunke (56) wird neuer Chef vom Dienst derZentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes(epd). Er löst zum 1. Juli 2013 Peter Bosse-Brekenfeld (63) ab, der in den Ruhestand tritt,wie der epd am 22. April mitteilte. Zschunke wirdauch als Social Media Editor in der Frankfurter epd-Zentrale fungieren, die zum Gemeinschaftswerk derEvangelischen Publizistik (GEP) gehört.

Zschunke berichtete ab 2010 als Chefkorrespondentfür die damals neu gegründete Netzwelt-Redaktionder Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin überInternet-Technik und Netzpolitik. Anfang dieses Jahresbaute er das neue dpa-Angebot der deutschsprachigenAP-Weltnachrichten mit auf. Die berufliche Laufbahnals Nachrichtenjournalist begann Zschunke 1986 inder Frankfurter Redaktion des deutschsprachigen Diens-tes von Associated Press (AP). Dort war er zuletztAuslandschef und stellvertretender Chefredakteur. DerHistoriker und Kommunikationswissenschaftler ist Au-tor eines Standardwerks über Agenturjournalismus inDeutschland.

In der epd-Zentralredaktion gehört Zschunke künftigmit Chefredakteur Thomas Schiller und NachrichtenchefKarsten Frerichs der Chefredaktion an. GEP-DirektorJörg Bollmann sagte: „Wir freuen uns, dass wir mitPeter Zschunke einen erfahrenen und renommiertenAgenturprofi für die anspruchsvolle Aufgabe in unseremHaus gewinnen konnten.“ Vorgänger Bosse-Brekenfeldist seit 1980 als Redakteur für den epd tätig, zunächst fürdie Publikation epd-Entwicklungspolitik und seit 2001als Chef vom Dienst und stellvertretender Chefredakteur.

Die Frankfurter epd-Zentrale produziert die überregio-nalen Nachrichten-, Foto- und Grafikdienste des epdund die Fachdienste epd medien, epd sozial und epdDokumentation. Der epd hat darüber hinaus siebeneigenständige Landesdienste mit insgesamt 35 Stand-orten für die regionale Berichterstattung aus allen TeilenDeutschlands. Das GEP ist der zentrale Mediendienst-leister der Evangelischen Kirche in Deutschland, ihrerLandeskirchen und Werke. Unter seinem Dach arbeitenunter anderem epd, die Redaktionen des evangelischenMagazins „chrismon“ und des Internetportals „evan-gelisch.de“ sowie die Rundfunkarbeit der EKD und derFreikirchen.

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Nachfolgerin Zschunkes bei dpa für die Redaktions-leitung der AP-Weltnachrichten wird Verena Schmitt-Roschmann. Sie arbeitete von 1993 bis 2010 bei AP inDeutschland, im Anschluss war sie bei der Nachrich-tenagentur dapd und der Wochenzeitung „Der Freitag“tätig, wie dpa am 23. April mitteilte. Im Januar diesesJahres kam Schmitt-Roschmann zur dpa-Gruppe. Derdeutschsprachige AP-Weltdienst wird seit Februar vonder dpa vertrieben, zuvor lagen die Rechte bei dermittlerweile eingestellten dapd (epd 46, 51/12). ts/rid

Chefredakteur Volker Wasmuthverlässt n-tvGeschäftsführer Demmel leitetkünftig auch die Redaktion

Köln (epd). Chefredakteur Volker Wasmuth verlässtnach zehn Jahren den Nachrichtensender n-tv. DieAufgaben der Chefredaktion übernimmt Geschäfts-führer Hans Demmel, wie der zur RTL-Gruppe ge-hörende Sender am 22. April in Köln mitteilte.Wasmuth will den Angaben zufolge eine neue Her-ausforderung suchen. Er leitete die Redaktion vonn-tv seit 2006. Zuvor war er Nachrichtenchef undstellvertretender Chefredakteur des Senders.

Demmel erklärte, Wasmuth stehe für „verlässliches,seriöses und glaubwürdiges Nachrichtenfernsehen“. DerChefredakteur habe die Nachrichtenkompetenz von n-tvgestärkt und auch eine Steigerung der Marktanteilebewirkt, hieß es in der Mitteilung.

Von 1989 bis 1991 war Wasmuth Redakteur undModerator beim RTL-Frühstücksfernsehen. Anschließendwechselte er als Chef vom Dienst und Moderator zu„RTL aktuell“ nach Köln. 1994 entwickelte er zusammenmit Heiner Bremer das „RTL-Nachtjournal“.

Geschäftsführer Demmel, der nun auch als Chefre-dakteur fungieren wird, ist wie Wasmuth gelernterJournalist. Er war Reporter und Redakteur beim Bayeri-schen Fernsehen, Chef vom Dienst und stellvertretenderRedaktionsleiter bei den „Sat.1 News“ und ab 1992USA-Korrespondent von Sat.1. Seit 1994 ist Demmelin der Mediengruppe RTL tätig: Er war unter ande-rem Chefredakteur des Senders Vox und BereichsleiterMagazine bei RTL. Seit September 2007 ist DemmelGeschäftsführer von n-tv. rid

Jörg Armbruster erhältHanns-Joachim-Friedrichs-PreisGemeinsam mit freiem Reporter MarcelMettelsiefen - Förderpreis für Eva Müller

Hamburg (epd). Der ARD-Korrespondent Jörg Arm-bruster und der freie Journalist Marcel Mettelsiefenerhalten den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2013.Die Auszeichnung gehe an „zwei Journalisten, diein völlig unterschiedlicher, aber in besonders her-ausragender Weise über den Bürgerkrieg in Syrienberichten“, wie das Preisbüro am 17. April in Ham-burg bekanntgab. Der Preis ist mit insgesamt 5.000Euro dotiert. Der mit 2.500 Euro dotierte Förder-preis geht an die WDR-Reporterin und BuchautorinEva Müller.

Der SWR-Journalist Armbruster leitete bis Ende 2012 dasARD-Auslandsstudio in Kairo. Am 29. März wurde der 65-Jährige während einer Reportage-Reise in der syrischenStadt Aleppo angeschossen und schwer verletzt (epd14/13). Nach mehreren Operationen besserte sich seinGesundheitszustand. Er kann das Krankenhaus nachAngaben des SWR voraussichtlich in einer Wocheverlassen.

Die Jury lobte in ihrer Begründung die „sorgfältigen,überlegten und zurückhaltenden Analysen von JörgArmbruster, die sich von der Hektik des täglichen Pro-duktionsdrucks und den inszenatorischen Erwartungenan einen Fernsehkorrespondenten in Krisen- und Kriegs-gebieten nicht treiben lassen“. Seine ruhige Sprache undseine „erklärenden, manchmal didaktisch anmutendenBildberichte“ seien ein „wohltuender und hochinforma-tiver Kontrast zu den lärmenden Schnellfeuervideos auseinem zerrissenen Land“.

Der zweite Preisträger Marcel Mettelsiefen sei nichtin das Infrastrukturkorsett eines Fernsehsenders ein-gebunden, hieß es. Er nutze diese Freiheit als Foto-,Video- und Fernsehjournalist wie als Buchautor undgehe „seine eigenen Wege, um Erklärungen für Krisenund Kriege zu finden: unauffällig, unprätentiös und un-abhängig“. Seine Augenzeugenberichte aus Libyen undSyrien gehörten zum Besten, was im deutschsprachigenFernsehen über die Revolutionen in diesen Ländern zusehen war.

Die Förderpreis-Gewinnerin Eva Müller sei eine jungeJournalistin, die sich „mit Zähigkeit und langem Atem“filmischen Themen stelle, an die sich die meisten ihrerKollegen nicht mehr wagten, urteilte die Jury. Mül-lers „filmische Anamnese des deutschen Sozialstaats“beginne dort, wo das „News-Hopping“ ende. rid

n INLAND n22 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

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n KURZ & KNAPP

Berlin (epd). Bundeskanzlerin An-gela Merkel (CDU) plädiert für einedigitale Medienordnung in der ge-samten EU. Die derzeitige Gesetzes-lage sei noch „nicht ausreichend“,sagte sie in einer am 20. April veröf-fentlichten Video-Botschaft. Urhe-berschutz und viele andere Fragenließen sich aber nicht nur natio-nal lösen. Wenigstens in den 27Mitgliedstaaten der EU müsse esden gleichen Rahmen geben. DieKanzlerin betonte, dass dabei dieInteressen der Urheber, der gewerb-lichen Nutzer und der Verbraucherzu berücksichtigen seien. „Wir alsBundesregierung fühlen uns hiernicht einer Gruppe verantwortlich,sondern wir fühlen uns dem Ge-meinwohl verantwortlich“, sagteMerkel. Mit der Entstehung einertechnischen Möglichkeit sei nichtsofort der Regulierungsrahmen da.

Unterföhring/Hamburg (epd). Der„Tagesschau“-Sprecher Marc Bator(40) wechselt zu Sat.1. Er werdeam 10. Mai erstmals die „Sat.1Nachrichten“ moderieren, teilteder Privatsender mit. Sat.1 werdemit dem Sprecher weitere Projektein den Bereichen Information undjournalistische Unterhaltung ent-wickeln. Peter Limbourg, bisherHauptmoderator der „Sat.1 Nach-richten“ und Senior Vice PresidentNews & Political Information beiProSiebenSat.1 TV Deutschland,wird am 1. Oktober Intendant derDeutschen Welle. Bator gehört seit13 Jahren zum Sprecherteam der„Tagesschau“, seit 2005 spricht erauch die Hauptausgabe um 20 Uhr.Für Sat.1 präsentierte er im Som-mer 2011 gemeinsam mit Jürgenvon der Lippe die Quiz-Show „Ichliebe Deutschland“. Er ist am 27.April zum letzten Mal als Sprecherder 20-Uhr-Ausgabe zu sehen. Anseiner Stelle wird künftig LindaZervakis die 20-Uhr-Ausgabe der„Tagesschau“ präsentieren. Die Jour-nalistin arbeitet seit 2001 beimNDR und seit 2006 bei ARD-Aktuell.

2009 vertrat sie Gabi Bauer undIngo Zamperoni im „Nachtmaga-zin“.

Unterföhring (epd). James Mur-doch und Harald Rösch sind neueMitglieder im Aufsichtsrat des Be-zahlsenders Sky Deutschland. Siewurden bei der Hauptversammlungam 18. April für die beiden vorzeitigausgeschiedenen Mitglieder Tho-mas Mockridge und Hans Seilernachgewählt. Murdoch ist der Sohndes Medienunternehmers RupertMurdoch, der 54,8 Prozent an Skyhält. Rösch ist unter anderem Vor-sitzender des Beirats der UnitedDigital Group in Hamburg.

Berlin (epd). RBB-Intendantin Dag-mar Reim (61) bleibt Vorsitzendedes Degeto-Aufsichtsrates. DasGermium bestätigte sie im Amtund wählte MDR-Intendantin Ka-rola Wille (54) zur stellvertreten-den Aufsichtsratsvorsitzenden. DieAmtszeit beträgt vier Jahre. DagmarReim führt den Vorsitz seit Ende2011. Kirsten Frehse übernimmtim Mai 2013 die Herstellungslei-tung bei der Degeto. In Absprachemit der Geschäftsführung ist sieverantwortlich für das Controllingaller Film- und Fernsehprojekte,übernimmt die Kalkulationsverhand-lungen und die Überwachung derProduktion. Sie war bislang freieProduktions- und Herstellungslei-terin und zeichnete unter ande-rem verantwortlich für die Serien„Danni Lowinski“ (Sat.1) und „Flem-ming“ (ZDF). Der Produzent SaschaSchwingel wird zum 1. OktoberRedaktionsleiter. Er ist seit 1998bei Teamworx tätig und war alsProduzent unter anderem für „Dres-den“ (ZDF) und „Hindenburg“ (RTL)verantwortlich.

Berlin (epd). Die Kommission fürZulassung und Aufsicht (ZAK)hat einen Beitrag im Programmder Nachrichtensendung „RTL IINews“beanstandet. In der Sendungam 8. Januar sei ein fiktionalesStatement einer Schauspielerin des

Scripted-Reality-Formats „Köln50667“ ohne den Hinweis ausge-strahlt worden, dass das Interviewvon einer fiktionalen Figur stamme.Darin sah die ZAK einen Verstoßgegen das Gebot der Sachlichkeit.Bei dem Beitrag verschwimme dieGrenze zwischen Fiktion und Wirk-lichkeit, sagte der ZAK-Beauftragtefür Programm und Werbung, Tho-mas Fuchs. Solch ein Verstoß ineiner Nachrichtensendung sei einenicht tolerable Grenzüberschrei-tung.

Berlin (epd). Der Rundfunkrat desRBB hat die ständigen Ausschüssefür Programmsowie Haushalt undFinanzen neu besetzt. Mitgliederdes Programmausschusses sind nunRegine Auster, Marianne Ballé Mou-doumbou, Jutta Brückner, AndreasKaczynski, Friederike von Kirchbach,Hubert Kolland, André Nogossek,Bettina Panser, Dieter Pienkny, Bar-bara Richstein, Tuvia Schlesinger,Alice Ströver, Markus Weber undBabette Zenker. Der Personalrat desRBB entsendet Clarissa Schäfer alsnicht stimmberechtigtes Mitglied.Dem neu gewählten Haushalts-und Finanzausschuss gehören an:Klaus Böger, Christian Goiny, Wolf-Harald Krüger, Heinz-Egon Müller,Klaus Nesse, Wolfgang Scherfke,Karl-Heinz Schröter und Klaus-Dieter Reufel. Gudrun Reufels wirdvom Personalrat entsandt. In dernARD-Programmbeirat entsendetder Rundfunkrat Markus Weber. Erwar bislang Stellvertreter von DieterPienkny und löst diesen nun ab. Ihnvertritt Regine Auster.

Bonn/München (epd). Nach fast an-derthalbjähriger Vakanz bekommtdie Journalistenschule der katholi-schen Kirche einen neuen Journa-listischen Direktor. Bernhard Rem-mers (54) trete sein Amt voraus-sichtlich zum 1. Juni dieses Jahresan, teilte die Deutsche Bischofskon-ferenz mit. Remmers’ VorgängerinElvira Steppacher hatte Ende 2011ihr Amt nach rund neun Jahren zurVerfügung gestellt. Die Doppelspitze

n KURZ & KNAPP n 2326.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

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des Instituts zur Förderung pu-blizistischen Nachwuchses (ifp)ist mit Remmers wieder komplett:Er führt die Schule künftig an derSeite des Geistlichen Direktors Wolf-gang Sauer. Remmers arbeitete zu-letzt als selbstständiger Journalistund Medienberater. Zuvor war erbeim Schleswig-Holsteinischen Zei-tungsverlag und als Chefredakteurder Verlagsgruppe Bistumspresse inOsnabrück tätig. Remmers ist Vor-standsmitglied in der GesellschaftKatholischer Publizisten Deutsch-land. Träger des ifp ist die katholi-sche Kirche. Die Journalistenschulewurde 1968 im Auftrag der katho-lischen Bischöfe gegründet undbildet Journalisten für alle Medienaus.

Bielefeld (epd). Neuer Direktor desEvangelischen Presseverbandesfür Westfalen und Lippe wird derHagener Superintendent Bernd Be-cker. Der 44-jährige Theologe wirdNachfolger von Wolfgang Riewe,der im Juli in den Ruhestand geht(epd 8/13), wie das Landeskirchen-amt in Bielefeld mitteilte. Der Pres-severband mit Sitz in Bielefeld istverantwortlich für die evangelischeWochenzeitung „Unsere Kirche“für Westfalen und Lippe mit einerAuflage von 50.000 Exemplaren.Vorstandsvorsitzende ist die west-fälische Präses Annette Kurschus.Becker ist seit 2007 Superintendentdes Kirchenkreises Hagen.

Esslingen/Stuttgart (epd). Der lang-jährige Chefredakteur des Evange-lischen Pressedienstes (epd) Würt-temberg, Hans Heinz Pollack, isttot. Er starb am 17. April im Altervon 90 Jahren in Esslingen nachkurzer Krankheit, wie seine Familiemitteilte. Der Journalist und Buch-autor stammte aus Hall (Tirol) undwar promovierter Germanist. 1961wurde er in Stuttgart Chefredak-teur der damals im Aufbau befind-lichen Nachrichtenagentur epd-Württemberg, heute epd-Südwest.

Er leitete 27 Jahre lang bis zu sei-nem Ruhestand 1988 die Redaktion.Pollack veröffentlichte 1983 dasSach- und Praxislehrbuch „Schreibmal Zeitung“, 1990 erschien seinautobiografischer Tatsachenbericht„Verschleppt und verschollen“. Darinschilderte er seine Erlebnisse alsjunger Soldat, der 1945 aus Ost-preußen verschleppt wurde undzwei Jahre unter unmenschlichenBedingungen in russischen Arbeits-lagern verbrachte.

Stuttgart (epd). Der SWR will abEnde April eine App für seine Me-diathek anbieten. Dann könnten dieAudios und Videos über die SWR-Mediathek-App auf Smartphonesund Tablets noch leichter genutztwerden, kündigte Intendant Pe-ter Boudgoust an. Die App bieteden Nutzern einen leichten undbarrierefreien Einstieg in das Ange-bot des SWR. Die SWR-Mediathekist nach Angaben des Senders dasOnline-Angebot des SWR mit denstärksten Zuwachsraten. Bereitsim April 2012 sei eine mobile Me-diathek veröffentlicht worden. DieApp werde für iPhones und Smart-phones mit Android und anderenBetriebssystemen angeboten.

Bremen/Berlin (epd). Vier Journa-listen erhalten in diesem Jahr denMedienpreis des Deutschen RotenKreuzes (DRK). Ausgezeichnet wer-den Volker ter Haseborg und Hanna-Lotte Mikuteit für eine Reportageim „Hamburger Abendblatt“überMenschen in prekären Arbeitsver-hältnissen. Die Journalistin KarlaKrause erhält die Auszeichnungfür einen Beitrag im Hörfunk vonHR und WDR über ein während derSchwangerschaft verstorbenes Kind.Andreas Kuno Richter wird füreine RTL-Reportage über Rechts-radikalismus und Gewalt ausge-zeichnet. Die Beiträge porträtierenMenschen in unvorhergesehenenLebenssituationen, die ums Überle-ben und um Anerkennung kämpften.

Die Auszeichnung ist mit insgesamt10.000 Euro dotiert und wird am 13.Mai in Bremen verliehen.

Berlin/Köln (epd). Die politischeRap-Castingshow „raputation-casting.tv“hat am 17. April deneuropäischen Civis Online Medi-enpreis 2013 erhalten. Preisträ-gerinnen sind die für den Netz-auftritt verantwortliche Projekt-leiterin Anna Mauersberger unddie Geschäftführerin der UFA Film& TV Produktion, Susanne Stür-mer, wie die Civis Medienstiftungmitteilte. Das Internetangebot„www.raputation-casting.tv“ wollepolitikverdrossene bildungsferneJugendliche an politische Themenheranführen und sie am gesell-schaftlichen Diskurs beteiligen.Deutschlands erste „Online-Rap-Castingshow“ thematisiere jugendli-che Ängste und Frustrationen unterEinsatz kreativer Social-Media-Elemente und sozialkritischen Raps.Die Auszeichnung ist mit 3.000Euro dotiert. Der CIVIS Medien-preis wird von der ARD, vertretendurch den WDR, gemeinsam mit derFreudenberg-Stiftung ausgeschrie-ben.

Remagen (epd). Der Journalist KlausOtto Skibowski ist tot. Wie derVerlag Rommerskirchen mitteilte,starb er am 22. April im Alter von88 Jahren in Sankt Augustin beiBonn. Skibowski begann 1946 alsJournalist beim NWDR in Hamburg.Später war er Chef vom Dienst derKatholischen Nachrichten-Agentur,zu deren Gründungsredaktion er inBonn gehörte, später Chefredakteurin Berlin. Für seine Verdienste umdie deutsch-polnischen Beziehun-gen wurde er mit dem polnischenVerdienstorden und mit dem Bun-desverdienstkreuz ausgezeichnet.Ab 1947 betreute er die Pressear-beit für den späteren BundeskanzlerKonrad Adenauer, für den er bis erzu dessen Tod tätig war.

n KURZ & KNAPP n24 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

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n INTERNATIONALES

Europäisches Gericht bestätigtVerbot politischer WerbungStraßburger Richter weisen Klage vonbritischer Tierschutzorganisation ab

Straßburg (epd). Verbote politischer Rundfunkwer-bung verstoßen nicht gegen die Meinungsfreiheit.Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechtein Straßburg wies am 22. April eine Klage der briti-schen Tierschutzorganisation „Animal Defenders In-ternational“ gegen das in Großbritannien geltendeVerbot politischer Werbung in Radio und Fernsehenendgültig ab. (AZ: 48876/08)

Die Tierschützer hatten 2005 eine Kampagne („MyMate’s a Primate“) gegen die Haltung von Affen inZoos und Zirkussen sowie gegen deren Ausbeutung inFernsehwerbespots gestartet. Zur Kampagne gehörteauch ein Fernsehspot, der erst ein angekettetes Mädchenin einem Tierkäfig und schließlich einen Schimpansenin derselben Position zeigte.

Das Werbeselbstkontrollgremium „Broadcasting Adver-tising Clearance Center“ wertete die Tierschutzvereini-gung jedoch als „politische Organisation“. Damit dürfesie nach den gesetzlichen Bestimmungen keine bezahl-ten Werbespots im Fernsehen oder Radio ausstrahlen,urteilte das Gremium.

Mit einer knappen Mehrheit von neun zu acht Stimmenhat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechtedieses Verbot nun bestätigt. Großbritannien habe dasVerbot von politischer Werbung erlassen, damit finan-ziell starke politische Gruppierungen über Werbespotskeinen unzulässigen und zu großen Einfluss über Fern-sehen und Radio ausüben. Das Verbot solle letztlich einevielfältige öffentliche Debatte erleichtern, allerdingseben ohne die Einflussnahme von bezahlter politischerWerbung.

Die Straßburger Richter stellten klar, dass es in deneuropäischen Staaten keinen Konsens gebe, wie mitpolitischer Werbung im Rundfunk umzugehen sei. Daherhabe Großbritannien einen weiten gesetzlichen Gestal-tungsspielraum. Das Recht der Tierschutzorganisationauf freie Meinungsäußerung werde nicht unzulässigbeschnitten. Die Tierschutzorganisation könne den Wer-bespot im Internet verbreiten. Außerdem könne sieihre Ziele in Zeitungen, bei Fernsehdiskussionen, beiDemonstrationen oder mit Flugblättern kundtun. fle

n INTERNATIONALES n 2526.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

Slowakei: Besitzerwechsel beiPresseunternehmen EcopressInvestor Babis übernimmt Verlag vontschechischer Firma Economia

Bratislava/Prag (epd). Die führende slowakische Wirt-schaftstageszeitung „Hospodarske noviny“ („Wirt-schaftsnachrichten“) hat einen neuen Besitzer. Wieam 12. April mitgeteilt wurde, verkaufte das tsche-chische Medienunternehmen Economia seine slowa-kische Tochtergesellschaft Ecopress für einen nichtgenannten Preis an das tschechische UnternehmenAgrofert Holdings. Es gehört Andrej Babis, einemtschechischen Unternehmer slowakischer Herkunft.Der Verlag in Bratislava gibt neben „Hospodarskenoviny“ auch Zeitschriften heraus. „Hospodarskenoviny“ hatte im Februar 2013 eine Auflage von18.000 Exemplaren und gehörte damit zu den füh-renden Qualitätszeitungen der Slowakei.

Der neue Eigentümer Babis bezeichnete die Wirtschafts-zeitung „als sehr kompetenten und glaubwürdigen Titelauf dem slowakischen Medienmarkt“. Deshalb sei erfroh, dass es ihm gelungen sei, den Verlag Ecopress zukaufen. Milan Mokran, der Generaldirektor von Ecopress,wertete die Übernahme durch Babis „als Zeichen desVertrauens in die langfristige Entwicklung des Verlagsund die Stärkung unserer Position auf dem heimischenMedienmarkt“.

Das 1990 gegründete Medienunternehmen Economia,das sich nun von Ecopress getrennt hat, befindet sichseit 2008 im Besitz des tschechischen Unternehmers undInvestmentbankers Zdenek Bakala, der nach „Forbes“über ein Vermögen von 1,5 Milliarden Dollar verfügtund damit drittreichster Tscheche ist. Economia gibtdie gleichnamige tschechische Wirtschaftstageszeitung„Hospodarske noviny“ (Auflage: 45.000 Stück) undZeitschriften wie „Ekonom“, „Respekt“, „Bel Mondo“ und„Marketing & Media“ heraus. Von 1994 bis 2008 gehörteEconomia mit Ecopress mehrheitlich zur deutschenVerlagsgruppe Handelsblatt.

Nach Angaben von Economia-Chef Bakala besteht daslangfristige Ziel seines Unternehmens in der „Schaf-fung eines modern organisierten Medienhauses in derTschechischen Republik“. Der Verkauf der slowakischenEcopress sei Teil dieser Umstrukturierung.

Der 58-jährige Ökonom und Außenhandelsexperte An-drej Babis ist nach „Forbes“ mit einem Vermögen vonzwei Milliarden US-Dollar der zweitreichste Unter-nehmer Tschechiens. Im Mittelpunkt seiner Tätigkeitsteht das 1993 gegründete Unternehmen Agrofert mit250 Tochtergesellschaften und 28.000 Mitarbeitern in

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n INTERNATIONALES n26 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

Tschechien, Ungarn, Deutschland, der Slowakei und denNiederlanden. 2012 betrug der Umsatz der Agrofert-Gruppe 7,78 Milliarden Euro. Dazu gehören vor allemChemiebetriebe, aber auch zahlreiche Unternehmen derLebensmittel- und Agrarindustrie.

Seit März 2012 gibt die Babis-Firma AGF Media inTschechien die Gratis-Wochenzeitung „5+2 dny“ („5+2Tage“) heraus. Im Herbst 2011 gründete Babis dieBewegung „ANO 2011“ („Bewegung der beunruhigtenBürger 2011“), die im Mai 2012 als „politische Bewe-gung“ registriert wurde und mit der er in Tschechienim Frühjahr 2014 bei den Parlamentswahlen antretenwill. Zu seinen erklärten politischen Zielen gehören„eine gerechte Gesellschaft“ und der Kampf gegen dieKorruption. ebe

Polen: Burda übernimmtGeschäft von Gruner + JahrMedienhaus mit über 30 Zeitschriftenentsteht - Marktführerschaft bei Luxustiteln

Warschau/München (epd). Der Medienkonzern HubertBurda übernimmt alle Aktivitäten von Gruner + Jahrin Polen. Dadurch entstehe ein Medienhaus mit über30 Zeitschriften, mehr als 20 digitalen Medienange-boten, etablierten Events und einem Buchgeschäft,teilte Burda am 17. April mit. Zum Kaufpreis wurdenkeine Angaben gemacht.

Die Leitung des Unternehmens liegt künftig bei Mag-dalena Malicka (vormals Gruner + Jahr) und JustynaNamita (Burda Polen). Zum bestehenden Portfolio vonBurda mit Titeln wie „Elle“, „Elle Deco“ oder „Instyle“kommen nun zwölf Zeitschriften von Gruner + Jahrin Polen, darunter „Glamour“, „National Geographic“und „Gala“. Mit 23 Prozent Leserreichweite werdeBurda der zweitgrößte polnische Zeitschriftenverlag,teilte das Unternehmen mit. Im Segment der interna-tionalen Lifestyle- und Luxuszeitschriften werde manMarktführer.

Fabrizio D’Angelo, Geschäftsführer von Burda Interna-tional, erklärte, für Burda sei die so geschaffene Positionin Polen eine „ausgezeichnete Basis, das Zeitschriften-kerngeschäft auszubauen“. Dadurch entstünden besteBedingungen für weitere digitale Investitionen. Burdakönne nun die Wachstumschancen im dynamischenwirtschaftlichen Umfeld Polens optimal nutzen. DieÜbernahme steht unter dem Vorbehalt der kartellrecht-lichen Zustimmung. Eine Entscheidung ist den Angabenzufolge bis Juli dieses Jahres zu erwarten.

Die Burda International GmbH ist in 17 Märktenaktiv und publiziert derzeit über 230 Magazine sowiezahlreiche digitale Medienprodukte. Burda Internationalsieht sich als Marktführer in Zentral- und Osteuropaund hat auch in Asien ein Portfolio mit Schwerpunkt aufdem Luxussegment aufgebaut. Derzeit weitet Burda dieAktivitäten in beiden Regionen aus. Burda Internationalbeschäftigt 2.400 Mitarbeiter. rid

Freihandelsabkommen alarmiertRundfunkräte und ProduzentenHieronymi: Kultur und Medien nichtreinem Wirtschaftsrecht unterwerfen

Köln/Berlin (epd). Die Verhandlungen zu einemFreihandelsabkommen zwischen der EuropäischenUnion (EU) und den USA alarmieren den WDR-Rundfunkrat und die Allianz Deutscher Film- undFernseh-Produzenten. Den im März vorgelegtenMandatsvorschlag der EU zur „Transatlantic Tradeund Investment Partnership“ (TTIP) „haben wir mitgroßem Entsetzen zur Kenntnis genommen“, sagteRuth Hieronymi (CDU), die Vorsitzende des Rund-funkrats, bei einer öffentlichen Sitzung am 19. Aprilin Köln. Für Kultur und Medien würde demnach iminternationalen Handel keine Ausnahmeregel mehrgelten, wie dies bisher immer in Abkommen etwamit der Welthandelsorganisation WTO durchgesetztworden sei. In dem Mandatsvorschlag sei bisher einesolche Ausnahmeregel nur für die Landwirtschaftvorgesehen.

Sollten Kultur und Medien dem reinen Wirtschaftsrechtunterworfen werden, würde dies die rechtliche Siche-rung des Rundfunks in Zukunft unmöglich machen,erklärte Hieronymi. „Kultur ist eben keine Handelsware“,hieß es in einer kurzfristig formulierten Entschließung,die der Rundfunkrat „dem Tenor nach“ einstimmig ver-abschiedete. Darin fordert der WDR-Rundfunkrat diekultur- und medienpolitisch Verantwortlichen auf, sichvehement für den Erhalt einer Ausnahmeregelung fürKultur und Audiovisuelles einzusetzen „und damit dieVielfalt der europäischen Kultur zu bewahren“.

Für unverzichtbar hält eine solche Ausnahmeregel auchdie Allianz Deutscher Produzenten, die mehr als 200 Un-ternehmen vertritt. „Dass die europäische Filmindustrieim Gegensatz zur amerikanischen Förderung brauchtund bekommt, verzerrt nicht den Wettbewerb, sondernmacht ihn erst möglich. Ohne Förderung, ohne ,kultu-relle Ausnahme’ gäbe es den europäischen Film nämlichgar nicht mehr, keine Oscar-Gewinner wie ,Liebe’ odereuropäische Blockbuster wie ,Ziemlich beste Freunde’“,

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sagte der Vorstands-Vorsitzende Alexander Thies. Ohnedie Ausnahme seien Quotenregelungen nicht zulässig,und Subventionen müssten beiden Parteien offenste-hen oder keiner. „Das ist für den Handel zum Beispielmit Automobilen oder Finanzdienstleistungen absolutrichtig, nicht aber im Bereich Kultur“, heißt es in derErklärung.

Hoffnung macht den Kritikern, dass ein solches Abkom-men innerhalb der EU Einstimmigkeit erfordert, alsovon allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden und auchim Europäischen Parlament eine Mehrheit finden muss.Zuletzt hatte das Europäische Parlament das ACTA-

Abkommen im Juli 2012 gestoppt. Der vorliegende EU-Vorschlag zum TTIP-Abkommen stoße auch in anderenLändern auf Ablehnung, sagte WDR-Justiziarin Eva-Maria Michel bei der WDR-Rundfunkratssitzung. Frank-reich, Italien, Ungarn und voraussichtlich Österreichwollten dem Abkommen wegen der fehlenden Ausnah-meregel für Kultur und Audiovisuelles nicht zustimmen.In Deutschland sei mit dem federführenden Bundeswirt-schaftsministerium ein Fachgespräch vereinbart worden.Am 14. Juni will der EU-Wirtschaftsministerrat über dieeuropäische Verhandlungsposition für ein transatlanti-sches Freihandelsabkommen entscheiden. tgr

n KURZ & KNAPP

London (epd). James Harding wirdab August neuer Direktor der Ab-teilung „BBC News and CurrentAffairs“. Wie die BBC am 16. Aprilmitteilte, wird Harding den Pos-ten von Helen Boaden überneh-men, die seit Anfang April Direk-torin von BBC Radio ist. In seinerFunktion wird Harding Mitglied derGeschäftsleitung sowie des Ver-waltungsrats der BBC und hat dieProgrammleitung seiner Abteilungmit rund 8.000 Mitarbeitern inne.Von 2007 bis 2012 war HardingChefredakteur der britischen Tages-zeitung „Times“ und hatte zuvorunter anderem für die „FinancialTimes“ gearbeitet. Als künftigerNews-Direktor erhält Harding jähr-lich Bezüge in Höhe von umgerech-net rund 400.000 Euro.

Luxemburg (epd). Bertelsmann willmit dem Verkauf von Aktien derRTL Group bis zu 1,58 MilliardenEuro einnehmen. Die Preisspannefür die bis zu 25,5 Millionen zumVerkauf stehenden Aktien liege zwi-schen 54 und 62 Euro, teilte dieRTL Group am 17. April mit. DieAktien werden seit dem 18. Aprilangeboten, die Frist endet am 29.April. Ab dem 30. April sollen sie imPrime Standard an der Frankfurter

Börse gehandelt werden, zusätzlichzu den bestehenden Notierungenan der Börse in Luxemburg und ander Euronext Brüssel. Bertelsmannwill mindestens 75 Prozent an derRTL Group behalten, zurzeit hältder Konzern 92,3 Prozent der An-teile. Die Mittel aus dem Verkaufsollten verwendet werden, um dasBertelsmann-Kerngeschäft zu stär-ken und die digitale Transformationvoranzubringen (epd 6, 14/13).

Cannes (epd). Der ZDF-Dreiteiler„Unsere Mütter unsere Väter“ istin die USA verkauft worden. Wieder Koproduzent Beta Film bei derFernsehmesse MipTV in Cannesmiteilte, plant der US-Verleih Mu-sic Box, den Dreiteiler zunächst ineinigen großen US-amerikanischenStädten im Kino zu zeigen, bevor erauch im Fernsehen und als Video-on-Demand im Internet zu sehensein soll. Die Serie wurde unterdem Titel „Generation War“ auchnach Großbritannien, Australien,Schweden und in die Niederlandeverkauft. Die Miniserie, die im Märzim ZDF gezeigt wurde, erreichte inDeutschland mehr als sieben Mil-lionen Zuschauer. In dem Dreiteilerwird die Geschichte von fünf jungenMenschen erzählt, die Anfang der40er Jahre den Zweiten Weltkrieg inDeutschland erleben.

Zürich (epd). Mark Dekan (36) istneuer Chief Executive Officer derRingier Alex Springer Media AG.Dekan war seit 2010 Chief Finan-cial Officer des Joint Ventures derSchweizer Ringier AG und der deut-schen Axel Springer AG; diese Funk-tion behalte er bei, teilte der Verlagmit. Als CEO folgt Dekan auf Flo-rian Fels (45), der CEO Publishingder Ringier AG wird und damit dasKerngeschäft des Schweizer Me-dienunternehmens verantwortet.Die Konzernleitung der Ringier AxelSpringer Media AG besteht künftigaus zwei Mitgliedern, Mark Dekanals CEO/CFO und Chief Digital Offi-cer Patrick Boos.

München (epd). Der TV-KonzernProSiebenSat.1 hat den Verkaufseiner nordeuropäischen TV- undRadio-Aktivitäten an DiscoveryCommunications vollzogen, nach-dem die kartellrechtlichen Genehmi-gungen erfolgt sind. Im Dezember2012 hatte das Unternehmen einenentsprechenden Vertrag für denVerkauf seiner Geschäftsaktivitätenin Norwegen, Schweden, Finnlandund Dänemark unterzeichnet (epd51-52/12). Der Transaktion lag einUnternehmenswert des Geschäfts-bereichs von 1,33 Milliarden Eurozugrunde.

n KURZ & KNAPP n 2726.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

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n KRITIK n28 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

n KRITIK

Herzerfrischend„Familie Sonntag auf Abwegen“, Regie: Ulli Baumann,Buch: Kirsten Peters, Kamera: Thomas Antoszczyk,Produktion: Olga Film (ZDF, 18.4.13, 20.15-21.45Uhr)

epd Eigentlich sollte nach Papa Franz’ Vorstellun-gen die Familienwelt in Ordnung sein: bewährte Ehe,drei wohlgeratene und beruflich erfolgreiche Kinder,wohlverdienter Ruhestand im gemütlichen MünchnerFamilienhaus am See.

Doch gleich die ersten Szenen zeigen in flottem Tempo,dass nichts so ist, wie das Familienidyll suggeriert:Mutter Bärbel (Gisela Schneeberger) will sich endlichden Traum vom romantischen Haus auf Mallorca erfüllen,wo sie mit Franz (Friedrich von Thun) neu starten will, dadie Kinder nun aus dem Haus sind - von dieser Idee ahntFranz allerdings nichts. Die begabte Tochter Mona (AnnaMaria Sturm) mit diversen internationalen Abschlüssensitzt an einer Supermarktkasse. Sohn Robert (SebastianBezzel) kriegt als Architekt nach hoffnungsvollem Startmit Nachwuchspreisen keine Aufträge und fühlt sichzum Hausmann degradiert, während seine Frau Lorenaals Stararchitektin das Geld verdient. Karo (ChristianePaul), die coole Managerin und das Erfolgskind derFamilie, wird nicht - wie erwartet - befördert, sondernkalt gefeuert. Aber auch Franz selbst macht den anderenwas vor: Nachdem er das Autohaus verkauft hat, das er40 Jahre lang als Inhaber führte, kann er nicht loslassenund kommt mit der Muße des Ruhestands nicht klar.

Klassisch bahnt sich die Katastrophe auf Muttis Ge-burtstag an. Franz hat Mona an der Supermarktkasseerwischt, Mutti für das Malle-Traumhaus hinter PapasRücken einen Vertrag unterschrieben - der fällt ausallen Wolken. Robert verkracht sich mit seiner Frau,Karo landet mit einem Nervenzusammenbruch in derKlinik, nachdem sie vergeblich alle „Kontakte“ wegenneuer Jobs abtelefoniert hat. Nach und nach trudelnalle Kinder im Elternhaus ein, lecken ihre Wunden undwetteifern darum, wer von ihnen der größte Loser ist.Die Mutter ist genervt: eigentlich will sie nach ihremHausfrau- und Mutterdasein das Haus verkaufen undendlich ihre eigenen Bedürfnisse leben. Franz meintwieder mal, die Zügel für alle in die Hand nehmen zumüssen. Natürlich geht das in die Hose: Die Sprösslingeund Mutter Bärbel rebellieren und Franz versteht dieWelt nicht mehr, die doch so lang für ihn in Ordnungwar.

Es geht um Missverständnisse, die in vermeintlich heilenFamilien schwelen, um das Nichtwissen voneinander

und die daraus resultierenden falschen Erwartungen,die sich an Entwürfen, Plänen und Zielen orientieren,nicht aber an den Persönlichkeiten, den Wünschen,Talenten und Bedürfnissen. Wie wenig Eltern und Kinder,Eheleute, Geschwister voneinander wissen! Dass manaus diesem ernsthaften und realistischen Stoff jenseitsaller Tragik einen köstlichen, saukomischen und jedeSekunde unterhaltsamen Film machen kann, zeigenAutorin, Regisseur und ein großartiges Ensemblespiel.

Wunderbar, wie die fünf Hauptdarsteller ihre Figurenund deren Fallhöhen zeichnen, wie alle falsche Vor-stellungen voneinander haben: der sensible, frustrierteRobert, der an seinen kompromisslosen Architektur-Ambitionen scheitert und ständig Kuchen bäckt - warumist er kein „richtiger“, sprich geschäftstüchtiger Mann,fragt sich Papa Franz, und Bärbel fragt sich, ob er schwulist, weil er keine Kinder hat und sie sich als Erstlingeine Tochter gewünscht hatte. Anna Maria Sturm alsmädchenhafte Mona, deren Leidenschaft eigentlich dieGärtnerei ist, die aber - widerwillig den Fußstapfenihrer so erfolgreichen Schwester folgend - ihrem Vaterzuliebe tapfer an renommierten Auslandsunis studierte.Verloren sagt sie bei Bewerbungsgesprächen ihre bra-vourösen Sprachkenntnisse und Abschlüsse auf undwirkt dabei wie ein sozialer Autist. Dabei hasst sie ein-fach nur BWL. Ist sie lesbisch, fragt sich die Mutter, weilMona noch nie einen Freund mitbrachte? Die Tochterreagiert ihren Frust bei Ballerspielen ab und blüht erstauf, als sie gärtnern kann und sich endlich verliebt.

Christiane Paul als Karo zeigt eindrucksvoll den Wandelvon der toughen Geschäftsfrau über die Tochter, dieauf den Erfolgsdruck erst mit Zusammenbruch undtrockener Apathie reagiert, um sich schließlich alsarbeitslose werdende Mutter ohne dazugehörigen Er-zeuger wiederzufinden, die nun äußerst lebendig gegendie Erwartungen ihres Vaters rebelliert.

Herzerfrischend ist Gisela Schneeberger, die als Mutterihr Recht auf ein eigenes Leben energisch einfordert -und sich auch von ihren Mallorca-Illusionen verabschie-det, denn die Dirndl-Dichte ist dort offenbar ebensohoch wie in Bayern, weshalb sich Auswandern nichtlohnt. Stattdessen lässt sie sich auf die Herausforderungeines Jobs ein. Und auch der nun plötzlich vereinsamteFamilienpatriarch Franz muss einiges begreifen. In die-sem Film hat Friedrich von Thun endlich mehr zu spielenals nur das knuffige Bärchen (auch wenn er immerwieder gern in dieses Rollenklischee verfällt). Herrlich,wie er grimmig und hilflos mit dem Rasenmäher überden Rasen hirscht, auf der Suche nach Betätigung, unddamit seinen erwachsenen Kindern auf die Nerven geht,wie Mutter Bärbel wiederum mit dem Staubsaugernervt.

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n KRITIK n 2926.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

Die Beziehungen aller untereinander - eingefahreneEhe, Generationenkonflikte, Geschwisterrivalitäten -sind ebenso realitätsnah wie die Zeichnung vergangenerund heutiger Arbeits-, Geschlechter- und Rollenmodelle.Wie man arbeitet, wo man arbeitet, dass man trotzaller Begabung und Qualifikation durchaus arbeitsloswerden kann - dass sich die moderne Arbeitswelt so sehrverändert hat, stößt auf das Unverständnis der älterenGeneration, die nur jahrzehntelange Wirtschaftswunder-Geradlinigkeit kannte.

Diese Mischung aus Erdung und Übertreibung ist mitgroßem Witz, temperamentvoll und pointiert inszeniert,mit überraschenden szenischen Einfällen, einem klugenBuch und herrlich lakonischen Dialogen voller Lebens-weisheit. Franz zu Bärbel: „Keines unserer Kinder ist sogeworden, wie wir das gedacht haben.“ - Sie: „Ich weiß.Ist das nicht toll?“ Ulrike Steglich

Spiel mit Krimi-Klischees„Mörderische Jagd“, Regie: Markus Imboden, Buch:Holger Karsten Schmidt, Kamera: Peter von Haller,Produktion: Aspekt Telefilm (ZDF, 15.4.13, 20.15-21.45 Uhr)

epd Leichen pflastern seinen Weg, die eine oderandere steht auch wieder auf. Bomben explodieren, Blutspritzt, Autos werden zerschrammt, Reifen zerstochen,Knarren sitzen locker, Kirchen werden entweiht, eswird verfolgt wie irre, Kinder werden entführt. Jeder istder Feind, es wird gelogen, getrickst, gelabert, gebetet,zitiert. Der Weg des Privatdetektivs Finn Zehenderist krumm, voller Schlaglöcher, ein Zickzackkurs. DerFinn ist eine Mischung aus tumbem Tor, Pfiffikus,Naivling, Sprücheklopfer, Versager, Spätzünder. HinnerkSchönemann spielt diesen Finn. Mit Hingabe. Mit fastimmer gleicher stoischer Miene. Und manchmal so, dassman denkt, er läuft (nicht nur als Figur) den Dingen einwenig hinterher.

Denn dieses Tempo durchzuhalten ist schon wirklichmörderisch. Und ist die Figur des Jürgen Simmel inder ZDF-Reihe „Marie Brand“ nicht ähnlich konzipiert?Oder gibt es in dieser vierten Folge schon Abnutzungs-erscheinungen? Es türmt sich ein Gag auf den anderen,ein irres Ding folgt dem nächsten, alle Figuren wirbelnwie besessen in der Gegend herum, echte Ruhe gibtes nur auf einem Tret-Hausboot. Es wird zitiert hochund runter: Dichter, Philosophen, die Bibel, Kultfilme.Und doch ist alles nur in Maßen wirklich lustig, skurril,witzig oder - neudeutsch - abgefahren.

Der Finn („sicher, diskret, preiswert“) kriegt einen Anrufvon seiner Liebsten, der Staatsanwältin Agnes (KatjaDanowski), er soll die Kinder des Schweizer Bankers UrsJaeger (Stefan Bürgi) beschützen. Der hat eine Listemit Steuerflüchtlingen, die der spanische Mafia-ClanVargas und der BND haben wollen. Kaum in einemHaus am See angekommen, wo Jaeger sich aufhält,explodiert eine Bombe, die Jaeger schwer verletzt, aberFinn entkommt mit den Kindern Mathilda (Joana Ferkic),die schwer in Gothic macht und ihrem Bruder Moritz(Dennis Chmelensky). Die Teenanger sind supercool,ihnen ist alles „fuckegal“. Da kann man Finn schonverstehen, wenn er sagt, er mag keine Kinder.

Finn bringt sie aufs Hausboot seines Freundes Gerd(Thomas Thieme). Er ist ein ehemaliger Polizist, derper Kopfschuss „schon mal bei den Toten war“ undjetzt nicht mehr so ganz momentan ist und gern JohnDonne und Hemingway zitiert: „No man is an island...“Im Zentrum der fiesen Gewaltakte das Gauner-DuoMaier und Bommer (Roland Wiesnekker und Hans UweBauer): schwarze Anzüge, weiße Hemden, Sonnenbrillen,Knarren. Der Maier zitiert unentwegt die Bibel, vergisstdabei aber nicht, schnell mal um sich rumzumorden.Auf einer kleinen Polizeistation erschießen sie nebenbeieinen Polizisten und eine Polizistin. So richtig lustig wardas nicht.

Bevor er ins Koma fiel, murmelte der Herr Jaeger nochwas vom Bildnis des Heiligen Martin. Da hatte erdie Liste mit den Steuersündern versteckt. Die findetsich dann auf einem Grabstein direkt neben einemkleinen Kirchlein, fällt aber den Gangstern in die Hände.Macht nix. Finn, der die Liste einmal gesehen hatte,kann mit seinem fotografischen Gedächtnis die 50Namen darauf aus dem Kopf diktieren. Alles gerät nocheinmal gründlich durcheinander, aber am Ende, Finnund Gerd sind mit den Kindern auf dem Hausboot amSee, Mathilda ist nicht mehr gothic und Moritz auchhalbwegs vernünftig, kommt Agnes mit Papa Jaeger, derlebendig an Krücken humpelt. Da freuen sich alle. UndAgnes sagt: „Finnilein, kommst du?“

Das Team Markus Imboden, Holger Karsten Schmidtund Peter von Haller kann man nur bewundern, dasssie bei dieser Turbulenz der Ereignisse die Übersichtbehielten. Oder vielleicht auch nicht. Denn der Witzdaran ist ja nicht, dass sich alles unbedingt logisch fügt,sondern dass jede Pointe sitzen muss, egal wie. Unddie sind manchmal zu krampfig. Oder zu bekannt, wiedie Gangster-Parodie von Roland Wiesnekker und HansUwe Bauer. Beide machen das sehr gut, sehr diszipliniertund ernsthaft, aber man hat es zu oft gesehen. Ein Witzeher am Rande war der beste: Finn, im Krankenhausgetarnt mit OP-Kittel, schiebt ein Bett, darauf eine Frau,die sich die Brüste richten lassen will. Finn hebt kurz

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n KRITIK n30 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

das Laken hoch, sieht ihre Brüste an und sagt: „LassenSie sich lieber ihren Mann wegmachen.“ Das war schönböse, während viele andere Gags und Späße einen zwargrinsen ließen, aber nicht wirklich zum Lachen reizten.

Ein lustvolles Spiel mit Krimi-Klischees, ein weitererVersuch, das Genre aufzubrechen, damit zu spielen.Amüsant, aber nicht viel mehr. Der einzig wirklichgelungene Versuch in dieser Richtung ist der ARD-Eifel-Krimi „Mord mit Aussicht“. Renate Stinn

Out of Schwabing„Im Schleudergang“, Regie: Paul Harather, Buch:Peter Bradatsch, Kamera: Andy Löv, Max Knauer,Produktion: Infafilm (BR, seit 5.4.13, jeweils freitags,22.00-22.30 Uhr)

epd Noch heute zehrt der Münchner Stadtteil Schwa-bing von seinen großen Zeiten um die Wende vom19. zum 20. Jahrhundert und in den 1960er Jahren.Fast hat er sich dabei selbst aufgezehrt. Arg hat erdarunter gelitten, dass er in jedem Reiseführer alsPartyzone empfohlen wird und alle Besucher nach dembesonderen Duft schnuppern, der sich längst verzogenhat. Da braucht es schon den österreichischen Regie-Immigranten Paul Harather, um in der sechsteiligenBR-Serie „Im Schleudergang“ ein Schwabing ins Bild zusetzen, das endlich wieder der Wirklichkeit nahekommt.Ein Schwabing, das den eigenen Namen nicht auf einemHinweisschild vor sich herträgt. Keine Schwabing-Atmo,nirgends: welch herrliche Erholung!

Der Blick auf die Rückseite eines viel zu viel zitiertenViertels ist freilich schon im Buch von Peter Bradatschangelegt: „Im Schleudergang“ erzählt von einem kleinenTextilreinigungsgeschäft und dessen Inhaberin, derChrista Bachmeier. Mit ihr rückt ein Münchner Typusins Zentrum, der meist ein Nebenrollendasein fristet,obwohl er das Stadtbild prägt wie nur wenige andere:die Münchner Geschäftsfrau. Schon in Franz XaverBogners Serie „München 7“ trat sie mit den MarktfrauenMoni und Elfi in den Vordergrund, doch Bradatschwill’s weniger idyllisch: Christa sehnt sich nicht nacheinem Mann, sondern eher nach dem „man“ der gutenMünchner Gesellschaft; namentlich nach Aufnahme indie Kreise der Frau Dürkheim, die schon den Dalai Lamakennengelernt hat und kommende Woche zum Papstnach Rom fährt.

Ihre Tochter Sieglinde aka „Schneckerl“, gerade frischtherapiert, hält Christa mit ihrer aufopfernden undaufmunternden Liebe - „Wirst stolz sein auf dich. Ichbin’s jetzt schon!“ - in Schach, und jeden Montagnach-

mittag trifft sie sich mit dem Friseur Freddy Biber zumSchäferstündchen und postkoitalen Kaffee aus der Ther-moskanne, dazu Nussbeugerl aus der Tupperschachtel.Nur wissen darf davon keiner: Von der Gabi ist derFreddy schließlich erst fünf Jahre geschieden, und dieGeschichte ist derart „ineinander verwurschtelt“, dasser zwar noch in jeder Folge mannhaft beschließt, derGabi endlich die Wahrheit über die Christa und ihn zusagen - aber es nie tun wird.

Dass die Christa Bachmeier mit diesem stets ein wenigzu verzerrten Lächeln, das so gern unterwürfig aussähe,aber nur von Arroganz zeugt, und mit dieser Stimme, diesich immer ein perfektes Quäntchen überschlägt, wennsie Gefühlsähnliches zur Sprache bringen soll - dassdiese Christa der Schauspielerin Gisela Schneeberger aufden Leib geschneidert ist, erkennt man auf den erstenBlick. Beziehungsweise auf den ersten Ton. Denn nochals die Kamera in der Auftaktfolge auf den Laden zufährt,hört man Christa Bachmeier schon ihre Angestelltenermahnen und hat sie also schon regelrecht vor Augenstehen: „Und Michi: Höflich sein! Die Frau Dr. Dürkheimis a wichtiger Kreis für mich. Für uns. Geschäftlich.“

Neben dieser Parade-Schneebergerin zu bestehen, istfür die „Schleudergang“-Kollegen keine leichte Sache.Schon bei Bradatschs Vorgängerserie „Franzi“ hat sie- völlig zu Recht - allen die Show gestohlen, indemsie sie zu bloßen Darstellern, die irgendwie so tun alsob, degradierte. Das lässt sich nur verhindern, wennman einen Gang zurückschaltet wie Maria Peschekals „Schleudergang“-Wäscherin Gitti. Oder wenn manbeim steten Tempowechsel mithalten kann, ohne zuüberdrehen - wie Gerd Anthoff, der endlich wiedereinmal zeigen darf, dass er auch zur alternden Luschetaugt. Spannend ist auch die Besetzung von Udo Wacht-veitl als selbstbügelndem Opernsänger in Unterhosen,die allerdings nicht ganz so gut aufgeht - als wäreWachtveitls Zunge für Bradatschs Sprachkaskaden nichtspitz genug.

Auch Stephan Zinner, dem Michi, hat der Autor mitdem Running Gag der halbseidenen Nebenjobs vielleichtetwas zu viel Kabarett aufgehalst. Am schwersten tutsich allerdings Judith Richter als Sieglinde. Wie das„Schneckerl“ vor der Mutter, so flüchtet Richter immerwieder vor der Naivität ihrer Rolle - und kann deshalbviel zu selten von ihr lassen. Das Alter, die Familie,die Männer und die Frauen: Wie immer, wenn dasbayerische Fernsehen zu Hochform aufläuft, finden diegroßen Geschichten in Nebensätzen, in halbfertigenGesten oder auf vermeintlichen Nebenschauplätzenwie in einer Textilreinigung statt. Man mag es alsVerlust begreifen, dass dabei immer öfter die privatestatt die politische Schmutzwäsche in der Maschinelandet. Allein, in Schwabing wusste man schon immer:

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Das Private war, ist und bleibt politisch - auch undgerade, wenn es sich nicht als solches verkaufen will.

Katrin Schuster

Ganz kurz ein ernstes Wort„Thadeusz und die Beobachter“, mit Jörg Thadeusz(RBB 9.4.13, 22.15 - 23.15 Uhr)

epd Vor der ersten Sendung war vor allem klar, was„Thadeusz und die Beobachter“ nicht sein soll: KeinePlauderrunde wie die Talkshow „Dickes B“, die JörgThadeusz beim RBB zuvor fünf Jahre lang geleitethatte. Sondern eine Gesprächsrunde über aktuellepolitische Themen. Aber eben auch keine Polittalkshowim klassischen Sinne, in die nach dem Proporzprinzipfür jede Meinung ein Parteivertreter eingeladen wird.„Weder ernst noch ironisch, sondern antiautoritär“wollte Jörg Thadeusz den Gesprächston anstimmen;aber als er seine Premierensendung mit der Bitte andie Gäste eröffnete, die kommenden Fragen nur mit Jaoder Nein zu beantworten, fragte man sich gleich, ober selbst an seine Ankündigung wohl je geglaubt hatte.

Kein Gesprächskreis, der mehr sein will als eine bei-läufige Plauderrunde, kommt ohne Teilnehmer aus, dieüber die ihnen gestellten (hoffentlich ernst gemeinten)Fragen ernsthaft nachdenken. Keine Talkshow, die ihr Pu-blikum über eine ganze Stunde binden will, sollte auf einpaar ironische Volten und witzige Sidesteps verzichten.Kein Moderator kommt ohne Autorität über die Runden.Zumal, wenn seine Gäste bekannte Print-Journalistensind, die es normalerweise gewohnt sind, ihre Meinungständig unwidersprochen äußern zu können.

Was antwortet man also, wenn der Moderator einenin der „Ja oder Nein“-Runde fragt: „Würden Sie alsChefredakteurin im Moment Reporter nach Syrienschicken, nachdem wir am Karfreitag erleben mussten,dass unser ARD-Kollege Jörg Armbruster bei einemScharfschützenangriff schwer verletzt wurde?“ Was istwichtig, wenn der Gastgeber mit lässiger Geste einenBall über den Tisch rollt und sagt: Stell dich selbst vor?

„Thadeusz und die Beobachter“ war immer dann be-sonders interessant, wenn die Sendung nicht versuchte,sich interessant zu machen. Wenn also die klugen Jour-nalisten, die sich gegenseitig kennen und respektieren,miteinander ins Gespräch kamen über Themen, die siealle auch sonst begrübeln: Wie sollte die Bundesre-gierung mit Autokraten auf Staatsbesuch umgehen?Ist Politik „ein knallhartes Geschäft“, das auf Men-schenrechtsverletzungen anderenorts keine Rücksichtnehmen kann, weil es um „viel Kohle“ geht, wie Hajo

Schumacher meinte. Oder darf man doch von der eige-nen Regierung mehr erwarten, als dass die Kanzlerin aufMessen gemeinsam mit Putin Bänder durchschneidet,wie die Bloggerin Mely Kiyak findet. Reicht es, dassdie Staatschefs in Gesten sprechen, indem sie sich mitdem einen nur kurz zeigen, die anderen aber auchhalb privat empfangen, wie Elisabeth Niejahr überzeugtist. Oder sind die Deutschen womöglich ohnehin „dieallerletzten“, die der Welt erklären sollten, was richtigist und was falsch, wie Claudius Seidl zu bedenken gab.

Wenn es gut lief - und es lief in der Premierensen-dung selten schlecht! - dann hatte „Thadeusz und dieBeobachter“ etwas von einer souverän geleiteten Re-daktionssitzung: Aus jedem Ressort - Politik, Wirtschaft,Kultur und Gesellschaft - kommen Vorschläge, wiedie aktuelle Nachricht „Oben-Ohne-Aktivistinnen atta-ckieren Putin auf der Hannover-Messe“ bewertet und„weitergedreht“ werden könnte. Aber so ein Führungs-stil braucht Zeit. Als die Hälfte der Sendezeit vorüberwar, grübelten die fünf immer noch darüber, wie eineFair-Trade-Außenpolitik aussehen könnte. Nach einemkompletten Gedankenrundgang war man wieder amAusgangspunkt angekommen: „Wenn wir uns wirklichfür die Sozialsysteme in Bangladesch interessieren wür-den“, suchte Mely Kiyak Bodenhaftung, „müssten wiruns auch andere Konsumgewohnheiten zulegen? Wirbrennen in Wahrheit auch nicht so sehr für diesesThema, als dass wir die dort hergestellten Waren nichtkaufen würden.“ Wer genau hinhörte, konnte sich beiden Gedankenspaziergängen der Sendung ein umfassen-des Bild von der Komplexität der Weltenlage machen.Aber wer hört schon im Fernsehen genau hin?

Es spricht einiges dafür, dass die Einschaltquotenmes-sung, die Jörg Thadeusz und seiner Redaktion amMorgen des 10. April vorlag, nicht die klügsten, sonderndie albernsten Minuten der Sendung adelte. Wennzum Beispiel Thadeusz seine Gäste aufforderte, nachdem Dalli-Dalli-Prinzip dreißig Sekunden lang Worte zunennen, die sie mit der erst am Vortag verstorbenen eng-lischen Premierministerin Margret Thatcher verbanden,war das eher peinlich gefüllte Sendezeit: Haarspray...Alzheimer... sparen, sparen, sparen... privatisieren... SexPistols... Handtasche... Deregulierung...

„Ganz kurz jetzt mal ein ernstes Wort“ erbat sichnach diesem wenig geschmackvollen Intermezzo HajoSchumacher und distanzierte sich von den Geschmack-losigkeiten, mit denen auch in den Sozialen Netzwerkender Todesfall der alten Dame am Vortag gelegentlichkommentiert worden war. Diese Kritik, die ja für sensibleOhren auch eine Selbstkritik gewesen war, einfachso zuzulassen, war dann vielleicht der antiautoritäreMoment, den Jörg Thadeusz uns versprochen hatte.

Klaudia Wick

n KRITIK n 3126.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

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Wahrheitsfindung„Der Zschäpe-Prozess - Brauner Terror vor Gericht“,Regie und Buch: Eric Beres, Inga Klees, Ahmet Se-nyurt, Marcus Weller (ARD/MDR/SWR/BR, 15.4.13,22.45-23.30 Uhr)

epd Natürlich lässt sich einer 45-minütigen Fernseh-reportage kein Vorwurf machen, wenn sie vor demvermutlich „größten Prozess der deutschen Rechtsge-schichte“ nicht die Antworten liefert, die im Idealfallder Prozess selbst liefern sollte. Man darf aber fragen,warum die Programmankündigung mit der offensicht-lich nicht beantwortbaren Frage „Beate Zschäpe - Werist sie wirklich?“ überschrieben wird und die Reportagegleich am Anfang plakativ fragt: „Wird dieser Prozesstatsächlich die Wahrheit über sie und den selbster-nannten Nationalsozialistischen Untergrund ans Lichtbringen?“

Sehr offensiv präsentierten die Redaktionen der Poli-tikmagazine „Fakt“ (MDR), „Report Mainz“ (SWR) und„Report München“ (BR) ihre Rechercheergebnisse. Immerwieder wies der Kommentar auf „bislang unveröffent-lichte Fotos“ und „exklusive Aufnahmen“ hin. „Zumersten Mal öffentlich“ sprach Zschäpes Cousin über diegemeinsame Jugend, und das offen in die Kamera.

Spektakulär ganzkörpervermummt war dagegen einanderer Auskunftgeber zu seinen von einer fremdenStimme nachgesprochenen Aussagen zu sehen: bis aufden mit Sonnenbrille getarnten Sehschlitz schwarzverhüllt. Wäre er einfach von hinten gefilmt wordenwie eine weitere Zeugin mit verschleierter Identität,hätte das deutlich weniger effekthascherisch gewirkt.Ein weiterer Zeuge sprach von hinten über die Schultergefilmt mit eigener Stimme - aus den insgesamtnicht besonders brisanten Auskünften erklärte dieseunterschiedliche Inszenierung sich nicht.

Zugutehalten muss man dem Film, dass er trotz un-gelenker Einleitung und aufdringlich investigativerPose einen stimmigen Überblick über die Geschichteder NSU-Terrorzelle und die ungeklärten Punkte gab.Auf der Bildebene geschah das überwiegend zurück-haltend. Hatten die Filmemacher kein Videomaterial,überblendeten sie Bilder von Gerichtssaal-Einrichtungenund Gebäudefassaden mit bekannten Fotos der NSU-Mitglieder. So drehte sich Zschäpe immer wieder ineinem „Gegenüberstellungsvideo“ des BKA im T-Shirtmit versonnen-ausdruckslosen Blick um sich selbst.

Der Kriminalhauptmeister Mario Melzer gab an denTatorten früherer Straftaten der später Untergetauchtenumherlaufend Auskunft. So ließ sich ahnen, wie isolierter vermutlich in seiner Behörde ist. Melzer, der Böhn-

hardt einmal vor Gericht gebracht hatte, entschuldigtesich im Film „als Mensch und Christ bei allen Opfern,Angehörigen und Hinterbliebenen“ dafür, nicht nochvehementer bei der Verfolgung der Täter gewesen zusein.

Dass das LKA Thüringen ihm untersagt hatte, vor derKamera zu wiederholen, was er vor Untersuchungsaus-schüssen bereits gesagt hatte, lenkte den Fokus aufdas eklatante Versagen staatlicher Stellen. Doch imProzess werde es nicht um Behördenversagen gehen,sagte der ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam. Auchdie Witwe eines Mordopfers kam zu Wort und wünschtesich, „dass Beate Zschäpe in allen Anklagepunktenverurteilt wird“. Doch im Prozess sei ein Freispruch vomMordvorwurf ebenfalls möglich, sagte der als Expertebefragte Strafverteidiger Gerhard Strate. Die Anklagebewege sich auf „dünnem Eis“.

Zschäpe bildete das rätselhafte Zentrum des Films, derunterschiedliche Erwartungen so gegeneinanderstellte,wie es vor Prozessbeginn seriös ist. Statt Antwortenzu geben, warf er Fragen auf. Unter anderem diese:ob Zschäpe im Prozess „ihr Schweigen brechen“ wird,wie groß die Zahl der NSU-Unterstützer ist, ob dasBehördenversagen vielleicht dadurch aufgeklärt werdenwird, wie Melzer hofft, dass weitere Beamte „Puzzle-stücke zur Wahrheitsfindung beitragen“. Zschäpes nichtungeheuer eloquenter Cousin brachte es auf den Punkt:„Was dabei rauskommt, schau’n wir mal.“

Kurzum: Der sichtlich aus der Arbeit mehrerer Redak-tionen montierte Film fasste den bekannten Wissens-und Unwissensstand funktional für größeres Publikumzusammen und belegte, dass ein längeres Format überkomplexe Themen besser informiert, als es viele kurzeBeiträge in Magazinen und Nachrichtenjournalen tun.Nur unter seinem großsprecherischen Duktus litt er.Aber der gehört ja schon länger zu den Politmagazinen.

Christian Bartels

n KRITIK n32 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

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n KRITIK n 3326.04.2013 · Nr. 17 n epd medien

Andere Agenda„die story: Der lange Arm des Imam - Das Netzwerkdes Fethullah Gülen“, Buch und Regie: Yüksel Ugurluund Cornelia Uebel, Kamera: Yüksel Ugurlu, ThomasGiefer, Andreas Bergmann (WDR, 15.4.13, 22.00-22.45 Uhr)

epd Die Autoren Yüksel Ugurlu und Cornelia Uebellegen am Ende ihres Films offen, was sie erreicht habenund was nicht. „Hinter dieser Fassade“, so der Kom-mentator, „sind wir immer auf Indizien einer anderenAgenda gestoßen. Auf eine religiöse Parallelwelt, diesich abschottet. Und auf ein schwer durchschaubaresNetzwerk, das Einfluss auf Staat, Wirtschaft und Gesell-schaft nimmt - und das nicht nur in der Türkei, sondernweltweit.“

Die Fassade, das sind die Aktivitäten des islamischenPredigers Fethullah Gülen, den in der Türkei jeder, imnichtislamischen Europa hingegen kaum jemand kennt.Für seine Anhänger ist er ein Heiliger, für seine Kritikerdas Oberhaupt einer Sekte. Ein großes Netzwerk soll eraufgebaut haben. Er verfügt über ein Medienimperiummit Sendern und Tageszeitungen. Im Berliner „Forum fürInterkulturellen Dialog“ (FID) führt er den Ehrenvorsitz,im FID-Beirat sitzt Rita Süssmuth und hält den Predigerfür einen modernen Islamreformer.

Im Film bleibt Fethullah Gülen eine unsichtbare Figuraus Archivszenen. Seit 13 Jahren lebt er in den USA ineinem abgeschlossenen Komplex, weiter als bis vor seineTüre kommen auch die Autoren nicht. Aufschlussreicherist ohnehin die Recherche in der jüngeren Geschichteder Türkei. Gülens Aufstieg begann in den 90er Jahren,gemeinsam mit Recep Tayyip Erdogan, dem derzeitigenRegierungschef. Dass er 1999 in die USA ging, wurdeoffiziell mit Gesundheitsgründen erklärt; in Wirklichkeitdürfte der Prediger sich mit seiner Strategie, dentürkischen Staat religiös zu unterwandern, zu weit ausdem Fenster gelehnt haben. Der Film zeigt das Videoeiner Rede, in der Gülen offen zur Unterwanderungaufruft.

Seither lenkt der Prediger sein Netzwerk von den USAaus. Ob es eine Gülen-Bewegung überhaupt gibt, wirdauch im Film nicht recht klar. Jedenfalls hat er sehrviele Anhänger, seine Bücher sind Bestseller. Es handeltsich da um eine schwer zu durchschauende Strukturmit allerdings imposanten Ausmaßen. Angeblich sindmit Hilfe Gülens in 140 Ländern etwa 1.000 Schulengegründet worden. In Deutschland sind es drei, in denen,so vermuten die Autoren, die moderne islamische Eliteerzogen wird. Dazu etwa 200 bis 300 Nachhilfevereineund 140 Kitas. In Köln gehört das Gymnasium Dialogzu diesem Bildungsnetzwerk. Die Schule wurde von den

Stadtpolitikern genehmigt. Im Film sieht man eine CDU-Stadträtin, die inzwischen kalte Füße bekommen hat.Auf einem Aktenstück steht der Vermerk, ein normalerSchulbetrieb sei das nicht. Informationen, wo das Geldherkommt, hat die Stadt nicht.

Überhaupt handelt es sich um ein Netzwerk mit hohemVerschwiegenheitsgrad. Auch über das Medienimperiumweiß man wenig, direkte Verbindungen zu Gülen werdenabgestritten. Direkte Verbindungen zu den Schulträ-gervereinen werden geleugnet. Der Protagonist selbstbestreitet in einigen Videos, die die Autoren aufgetrie-ben haben, jeglichen Einfluss. Bloß weil ihn einige Leutesympathisch fänden, sei das noch keine Macht, sagt erda beispielsweise.

Die zentrale Frage des Films lautet: Handelt es sich hierum einen modernen Islam oder um einen als modernverkleideten Islam? Auf den ersten Blick sieht man Mo-dernität. Gülens politisches Credo lautet: „Baut keineMoscheen, baut Schulen“ - in Köln wird beides gebaut.Die Bewegung sei erfolgreich, erklärt der Islamwissen-schaftler Bekim Agai, weil sie mit dieser Parole nachvorne gerichtet sei und auch aufstiegsorientiert. Der So-ziologe Ralph Ghadban hält das aber für vorgeschoben.Es gehe Gülen nicht darum, den Islam zu modernisieren,sondern die Moderne zu islamisieren.

Eine der Schlüsselszenen zu dieser Frage präsentierendie Autoren mit einem Fund. Auf einer französischenWebsite des Islampredigers fanden sie eine Stelle,in der Gülen über die Frage der Islam-Abtrünnigenschreibt. Wer sich der Chance der Rückkehr entziehe,dem drohe die Todesstrafe, steht da. Die Autoren legendem Vorsitzenden des Schulträgervereins diese Stellevor, was ihn ins Stottern bringt und von Kontext undnotwendiger Interpretation schwafeln lässt. Auch RitaSüssmuth gerät kurzzeitig aus der Fassung: Den Textkannte sie nicht. Aber gleich vor der Kamera aus demBeirat des FID zurücktreten will sie auch nicht. Erst maldiskutieren.

So trägt der Film Bilder und Informationen zusammenund baut sie zum Mosaik zusammen. Es fehlen nochSteine. Aber Konturen werden sichtbar, Stück für Stück.In der Türkei soll die Polizei von Gülen-Anhängerndurchsetzt sein? Der US-Botschafter berichtet nachHause, dass diesen Vorwurf niemand dementiere. DieAutoren weisen kurz auf zwei Fälle hin, in denenin Istanbul ein Journalist und an anderer Stelle einStaatsanwalt verhaftet und gerichtlich verfolgt wurden.Sie zollten der Gülen-Bewegung mehr Aufmerksamkeit,als die vertragen wollte. Widersprüche allerorten.

Die Dialog-Schule in Köln gäbe es nicht, bestätigtder Vorsitzende des Trägervereins, wenn es nicht die

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n KRITIK n34 epd medien n Nr. 17 · 26.04.2013

Parole vom Vorrang der Schulen vor den Moscheengäbe. Aber Gülen-Schule darf diese Privatschule dannauch nicht heißen. Anderes Beispiel: Für die einen sinddie sogenannten Lichthäuser in einigen Städten ganznormale Wohngemeinschaften islamischer Studenten.Andere halten sie für Gehirnwäscheanstalten, in denenabsoluter Gehorsam gelehrt wird. Zwei Aussteigerinnenbestätigen das, ihr Bild bleibt verpixelt.

Ein fertiges Bild ist das noch nicht, aber eine hochspannende investigative Recherche. Sie lenkt die Auf-merksamkeit auf eine religiöse Parallelwelt, die nichtleicht zu erkennen ist. Und der WDR wird schon gewussthaben, warum er sich, um Interventionen von außenzu vermeiden, bis zur Ausstrahlung bedeckt hielt. Esscheint eine Menge Sprengkraft im Thema zu stecken.

Fritz Wolf

Schwerter zu Pflugscharen„Tod für die Welt - Waffen aus Deutschland“, Regieund Buch: Jule Sommer, Udo Kilimann, Kamera:Fabian Posern (ARD/RBB, 8.4.13, 23.30-0.15 Uhr)

epd Der Titel spielt auf „Brot für die Welt“ an, aberdas ist etwas unpassend, denn für ihre Dokumen-tation fanden die Autoren vor allem Stimmen ausevangelischen Kreisen, von Friedensaktivisten bis zumEKD-Ratspräsidenten, die sich kritisch zum Thema Rüs-tungsexport äußerten. Von den Entscheidungsträgernaus Politik und Rüstungsindustrie wollte sich bis aufeinen Lobby-Vertreter niemand öffentlich äußern. Esergeht den Rechercheuren wie vielen ihrer Kollegen,die darunter leiden, dass Akteure aus Wirtschaft undPolitik offenbar immer weniger bereit sind, über ihr indie Öffentlichkeit reichendes Tun zu reden.

In der vermeintlich transparenten Informationsgesell-schaft mehren sich zusehends in den höheren Hierarchie-Ebenen die schwarzen Löcher. Eines betrifft das ThemaRüstungsexport, Deutschland rangiert hier weltweit aufPlatz drei. Sommer und Kilimann gehen auf eine Spu-rensuche, die vom idyllischen Neckarort Oberndorf, demStandort von Heckler & Koch, in den Berliner Bundestagführt und schließlich nach Südafrika, wo Glanz undElend des Themas direkt nebeneinander liegen: hier eineRüstungsmesse mit angeschlossenem Volksfest, dort dieGewalt in den Townships, wo mit gedealten WaffenGang-Kriege ausgetragen werden. Auch dort ist einPfarrer den Dokumentarfilmern als Scout behilflich.

Auf ihrer Recherchetour erfahren die Autoren und derZuschauer viel über den Umgang mit dem heiklen Thema,aber fast nichts über die Mechanismen, Interessen und

Machtkonstellationen. Fast scheint es, als machten siedie Not zur Tugend, ersetzten den mangels Einblicknicht haltbaren Anspruch auf Analyse durch ethischeAspekte. Da taucht dann auch Martin Niemöller auf,der 1948 die handlungsethische Maxime „Krieg sollnach Gott nicht sein“ prägte. Doch die gegenwärtigenKontroversen bleiben blass.

Sommer und Kilimann holen im Bundestag einen Politi-ker der Linkspartei vor die Kamera, der auf Fotos aus Bür-gerkriegsgebieten eigentlich dort verbotene deutscheWaffen identifiziert. Mit den Grünen beklagen sie, dassdie Regierung Rüstungsexporte im Geheimen beschließt,Berichte erst fast zwei Jahre später veröffentlicht. Auchdie rot-grüne Koalition habe diese Geheimniskrämereigewahrt, kritisieren sie - und finden Unterstützungbeim Unionspolitiker Roderich Kiesewetter, der sich dieInformationen nach spätestens sechs Wochen wünscht.Ein Blick in Wikipedia zeigt: Der Mann ist kein Pazifist,sondern ausgebildeter Generalstabsoffizier.

Warum dann die parteiübergreifende Patronage fürdie Rüstungsindustrie? Und wie gelangen die nur anoffizielle staatliche Stellen gelieferten Waffen in dieKriegsgebiete und auf den Schwarzmarkt? Vor allemaber: Was ist die Alternative? Sommer und Kilimann ha-ben dafür eine rührende Impression gefunden: Schwerterzu Pflugscharen, eine Konversation, die in einem Esse-ner Schmiede-Museum auch handwerklich nachgestelltwird und im romantisierenden Idyll eines zu Halleluja-Klängen das Feld durchziehenden Ackerpfluges endet.Spätestens da wird die Recherche zum Appell, dieDokumentation selbst zur Mission.

Die Autoren fordern, auf die Rüstungsindustrie ein-fach zu verzichten, da sie ja weniger als ein Prozentzur deutschen Wirtschaftsleistung beitrage. Sie zeigen,wie im verlassenen Bundeswehrstandort Schwalmstadtneues Leben mit Kitas aufblüht. Wer die Realität kennt,weiß, dass die meisten Kasernen am Stadtrand liegenund dass diese Lage höchstens für Logistikunternehmeninteressant ist. So fügen sich zu den schwarzen Löchernder Auskunftsverweigerer die weißen Flecken der Ratlo-sigkeit - ein verwirrendes Muster. Das ambivalente Bildbestätigt sich in der Aussage eines anonym sprechendenTechnikers aus der Waffenindustrie, der das Gesetz desSchweigens kennt („Wer quatscht, fliegt und bekommteine Klage an den Hals“). Aber er liebt auch seinen Job(„verdiene ja sehr gut, gute Arbeit“).

Aber das Thema ist eben keine moralische Stimmungs-frage, sondern ein hochpolitischer Zielkonflikt. Unddessen Akteure bleiben auch in dieser Doku unbehelligt.Dafür gab es idealistische Wünsche und idyllische Bilder.Dann müssten zum ewigen Frieden nur noch Kriege,Korruption, Armut, Gewalt und kriminelle Schwarz-

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marktstrukturen verboten werden. Aber vielleicht würdees auch genügen, den Aussageverweigerern aus Wirt-schaft und Politik bei der nächsten Recherche kräftigerauf die Füße zu treten. Dieter Deul

Leichtigkeit und Lebensweisheit„Traumrollen“, Regie und Buch: Jean-Claude Kuner(Deutschlandfunk/HR, 13.04.13, 20.05-21.00 Uhr)

epd Zwei alt gewordene Mimen begegnen sich imSeniorenheim, wo sie ein ebenso ruhiges wie auskömm-liches Dasein gefunden haben. Sie finden Gefallenaneinander, treffen sich täglich, speisen zu Mittag, plau-dern miteinander und halten Rückschau. Man beklagtsich ein wenig, nicht zu viel. Denn da ist noch etwasanderes, wovon und wofür man immer noch lebt: dieRollen, die man einst spielte, mehr noch: die, die mannie spielen konnte oder durfte. Die Traumrollen, fürdie jetzt Gelegenheit ist, auch wenn einem dafür keineBühne mehr zur Verfügung steht. Oder einfach Stücke,auf die man noch neugierig ist. So zieht man die Textehervor und liest sie, in verteilten Partien.

Zwischendurch holt einen die Erinnerung ein: Wer hatdas damals gespielt, was schwingt da heute noch mit,was hat es einem zu sagen? Oder ganz profan: wie gehtdas Stück eigentlich aus? Wer stirbt am Ende, wer bleibtübrig? Und immer wieder schleicht sich die Frage ein:Wie ist das überhaupt mit dem Sterben, bei mir und beidir? Nichts Verzagtes steckt in ihr, eher Neugier. Manist schließlich oft genug gestorben auf der Bühne undweiß, wie das geht.

Stoff für ein leise wehmütiges und doch humoristischgrundiertes Drama. Aber hier ist es Wirklichkeit. Es warein großes Glück, das der Radioautor Jean Claude Kunermit seinen beiden Protagonisten hatte: mit Nadja Tillerund Fritz Lichtenhahn, die, fast gleich alt, beide imgleichen Hamburger Seniorenheim leben und die gleicheAusgeglichenheit besitzen, die dazu gehört, über dieKunst und das Leben zu reden, ohne dass es je peinlichwird. Denn: Man hat es gelernt, Pointen zu setzen undsich und den Zuhörer nicht zu langweilen. Ob das imAlltag geschieht oder vor Scheinwerfer, Mikrofon undKameras.

Die Aufgabe, die den beiden Schauspielern gestellt wird,besteht darin, sich wenigstens lesend einiger Rollenanzunehmen, bei denen es um das geht, was einen sobewegt - Liebe, Alter, Tod. Als da sind: Shakespeares„Romeo und Julia“, Tschechows „Schwanengesang“,Schnitzlers „Anatol“, Becketts „Das letzte Band“, demPeter Handke mit „Bis dass der Tag euch scheidet“

einen Frauenauftritt hinzugefügt hat. Und dazwischen,zur Aufheiterung, Dialoge von Karl Valentin, auchsie Varianten des Themas Liebe, wenngleich hintergrantelnder Rechthaberei versteckt.

Mit großer Konzentration sind die beiden bei derSache, und mühelos finden sie sich in Sprache undCharakter ihrer Figuren. Doch immer wieder brichtdie Wirklichkeit herein mit ihren kleinen Malaisen,den Gebrechen, der Vergesslichkeit, aber auch denErinnerungen, die die beiden so unterschiedlichen Weseneher anklingen lassen als ausbreiten. Sie, die Filmdiva,die einst Angebote von Fellini und Antonioni ablehnte,aber nur selten auf der Bühne stand; er, das Theaterkind,das an großen Häusern spielte und dessen Charakterkopfniemand vergisst, der ihn einmal sah. So gleicht dieSzenerie einem Schwebezustand.

Die Tiller empfängt uns gleich mit Versen aus dem Faust:„Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten“ und„Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert / VomZauberhauch, der euren Zug umwittert“ und „Ihr bringtmit euch die Bilder froher Tage“. Schon da ist nichtganz klar, ob sie von sich spricht oder eine Rolle zitiert.Und der Romeo? Lichtenhahn wollte ihn immer spielen,aber man ließ ihn nicht. Da blieb er in ihm stecken, undin jede Rolle, die er wirklich spielte, packte er ein Stückdavon. Währenddessen kämpft sie sich durch die Julia,um am Ende zu bekennen: „Mich spricht’s überhauptnicht an.“

Überhaupt das Stück. Man rätselt: Er wird umgebrachtoder wie geht die Geschichte, und wer ist zuerst tot? Obman Reclams Schauspielführer zu Hilfe nehmen soll? Sogeht es hin und her zwischen den beiden Komödianten,die uns mit Witz ebenso wie mit Souveränität begeisternund dabei ganz unter sich bleiben. Kein Schielen auf einPublikum, das es hinter dem Mikrofon ja auch nicht gibt.Sie ist die Führende, weist ihn hin und wieder zurecht,er spielt den Zaghaften, Staunenden, Bewunderndenoder er ist es.

Ganz bei sich sind beide beim Thema Tod. „Ich binja gerne gestorben auf der Bühne“, sagt er, und sie:„Sterben auf der Bühne macht Spaß. Solange einen derRegisseur lässt. Als tote Lulu war ich sehr dekorativ.“So wird auch das eigene Sterben erträglicher. Denn:„Das ist das Schöne an unserem Beruf, dass wir immerwieder in die Extremsituationen geraten sind.“ Dochauch das gehört dazu, dass man sich schnell von allemSchweren verabschieden kann. „Lippen schweigen, ’sflüstern Geigen, hab mich lieb“ - Lehars „Lustige Witwe“mag den beiden am Ende gar nicht aus Kopf und Sinn.

Wunderbar die Leichtigkeit, die sich hier mit Lebens-weisheit paart und immer wieder dem Komödiantischen

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zum Durchbruch verhilft. Dazu passen knurrige Hiebeaufs heutige Theaterwesen („dieses eine Stück, wo allesauf dem Klo spielt“) auf der einen Seite und würdevolleSeitenblicke aufs eigene Alter („nicht hängenlassen“,„man arrangiert sich halt irgendwie“) auf der anderen.Hinreißend auch, wie die Regie die beiden auf Händenträgt; wie sie belauschte O-Ton-Szenen mit Studioauf-nahmen vermischt, beides zuweilen übereinanderlegtund so gänzlich alles „Gemachte“ vergessen lässt; wiesie dem Ganzen schließlich mit duftigen Walzerklängen

eine Beschwingtheit gibt, die uns in Kopf und Gliederfährt.

Als Dramaturgin zeichnet Sabine Küchler, die mitdiesem Stück beweist, dass sie das so weitsichtigewie erfrischende Profil des Deutschlandfunk-Hörspielspflegen und bereichern kann. Ist es nun ein Hörspiel? EinFeature? Unwesentlich. Einfach ein grandioses Stück,das in seiner Unbefangenheit gänzlich neue Töne inden Radioalltag hereinbringt und dem jeder Hörerhemmungslos verfallen dürfte. Christian Deutschmann

n NOTIERT

n „Der Journalismus hat zwei Kern-probleme: Sein Geschäftsmodell zer-bricht, weil die Werbung ins Netzgeht. Und die Beziehung zum Pu-blikum verändert sich fundamental.Früher verkauften Informations-medien neben Informationen eineder stärksten Drogen überhaupt:Gewohnheiten. Ein Frühstück ohneZeitung fühlte sich unvollständigan. So wie ein Abendessen ohne,Tagesschau’. Daraus folgte, dassJournalisten primär den Job hatten,niemanden zu vertreiben. Nicht zuenttäuschen genügte, um ein Ge-wohnheitspublikum bei der Stangezu halten. (...) Heute ist erstens un-ser wichtigstes Produkt - die Nach-richten - inflationär und praktischwertlos geworden. Und zweitensist das Publikum wählerisch gewor-den. Eine Zeitung konkurriert heutenicht nur mit allen Zeitungen derWelt, sondern auch mit Facebook,Twitter, YouTube, Games. Das heißt,dass fehlerfreier, mittelguter Jour-nalismus nicht mehr genügt. DasPublikum muss aktiv begeistert wer-den. Es muss bei einer Zeitung dasGefühl haben: Wow, das ist meinDing.“ - Constantin Seibt in der„tageszeitung“.

n „Von Günther Grotkamp erzähltman sich in Essen die Anekdote,dass er vor Jahrzehnten einmalgefragt wurde, ob die WAZ einegute Zeitung sei. Da habe er nichtdie WAZ durchgeblättert, sonderneinen Rechenschieber herausgeholtund Zahlen hin- und hergescho-ben. (...) Aber er hat aus Sicht derWAZ-Redakteure ohnehin seineneigenen Rechenschieber installiert,den Geschäftsführer Manfred Braun,der vom Bauer Verlag kam. Braun,so macht es den Eindruck, rechnetjeden Morgen durch, ob an diesemTage gekündigt werden muss, odererst an dem darauf.“- Bernd Dörriesin der „Süddeutschen Zeitung“.

n „So kommt es, dass ein Kame-ramann von seiner langwierigenSuche nach einer Bank berichtet,vor der so viele Leute Schlangestanden, dass sie zumindest das Bildausfüllten. Er und seine vielen Kol-legen sind am Freitagabend längstwieder abgereist und mit ihnen ver-schwindet auch die Insel aus demFokus der Weltöffentlichkeit. Dieeinzigartige Misere in Zypern, siehat den Fernsehteams, Fotografenund Journalisten keine spektakulä-ren Bilder von Chaos und Aufstandgeliefert. Die Panik ist ausgefallen.

Dabei hat die Krise für die zyprischeWirtschaft gerade erst begonnen.“-Lenz Jacobsen bei „Zeit Online“.

n „Es gibt die Schönheit der Me-dienkrise, das Gute am Zeitungs-sterben. Es ist, als reiße jemand dasFenster auf: Manuskripte wirbelnauf, Frühlingsluft im Flur, die Wehr-losigkeit gegenüber dem Neuen. Esgibt einen Sinn in diesem Absturz:Journalisten, deren Aufgabe es ist,sich in die Welt zu begeben, müssensich in die Welt begeben. Alles neu.Räumt eure Schreibtische. Geht aufdie Straße, da ist das Leben, das wirkennen müssen, wenn wir schreiben.Es ist nicht so, dass etwas stirbtund nichts nachkommt. Journalis-ten werden ewig gebraucht, immerund überall, solange es Missständegibt. Wie es Ärzte gibt, solange wirkrank sind. Wie es die Küstenwachegibt, solange wir aufs Meer fahren.Journalisten verfluchen Autoritäten.Sie sind Optimisten. Sie kämpfen.Im Zweifel sind jene, die Kapitalaus Journalismus schlagen wol-len, Gegner. Der Kapitalismus hatAngst vor Journalisten, er liebt dieJournalismus-Simulation.“ - FelixDachsel in der „tageszeitung“.

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